Regula Waldner
Im Rahmen des Aktionsplans Biodiversität gilt die Sanierung der Biotope von nationaler Bedeutung als wichtige Sofortmassnahme. Vollzugshilfen und Best Practice-Publikationen zur Biotopsanierung stehen schon seit Längerem zur Verfügung. Ein Leitfaden, welcher im Auftrag des BAFU erarbeitet wurde, zeigt nun ergänzend dazu auf, wie mit unterschiedlichen Biodiversitätsinteressen im gleichen Raum umgegangen werden kann.
Der Titel dieses Beitrags mag etwas banal klingen, aber im Endeffekt geht es genau um dieses Ausloten: Will man bei der Revitalisierung einer Aue den national prioritären und geschützten Frosch oder den ebenfalls national prioritären Vogel bevorzugen? Wie plant man eine Moor-Regeneration, wenn das beeinträchtigte Hochmoor ein Lebensraum für trockenheitsliebende, prioritäre Heuschrecken-Arten geworden ist? Der Umgang mit solchen divergierenden Interessen ist nicht dem Zufall zu überlassen, sondern bedarf eines transparenten Abwägungsprozesses. Nur so kann gewährleistet werden, dass bei einer Biotopsanierung die bestmögliche Umsetzungsvariante gewählt wird. Ein neuer Leitfaden thematisiert den Umgang mit überlagernden Interessen innerhalb des Biotopschutzes und die Evaluationsabläufe im Vorfeld der Umsetzung. Dass nebst divergierenden Interessen auch die vielen vorhandenen Synergien zur Förderung verschiedener Biodiversitätsbereiche zu berücksichtigen sind, wird als selbstverständlich vorausgesetzt.
Checkliste für die einzelnen Sanierungsetappen
Sind divergierende Interessen bei der Sanierung der Biotope von nationaler Bedeutung zu vermuten, wird ein etappenweises Vorgehen empfohlen (Abb. 1).
Die Erhebung des Ist-Zustands im jeweiligen Lebensraum mit den relevanten (v.a. national prioritären) Arten und Artengruppen steht am Anfang des Planungsprozesses. Fakten zu laufenden und geplanten Projekten im Biotop sowie in dessen Umfeld runden die Situationsanalyse ab. Im Teilschritt «Analyse Ziellebensräume und -arten» findet eine gutachterliche Gewichtung statt. Sie orientiert sich an einem spezifischen Kriterienkatalog (Schutzstatus, Massnahmenbedarf, besondere Verantwortung, schlechte Ersetzbarkeit etc.) und ist mehrheitlich qualitativer Art. Für die weitere Planung werden nun die ökologischen Ansprüche, der Erhaltungszustand, die Defizite und Potenziale der gewählten Zielarten und -lebensräume ermittelt. Wichtig ist dabei eine gute Prognosearbeit, um zu wissen, welche Resultate künftig mit welcher Massnahme erwartet werden können.
Die Etappe «Zieldefinition» legt die Stossrichtung der ökologischen Entwicklung fest: Es geht um den angestrebten Zustand bzw. um die angestrebten natürlichen Prozesse. «Harte» Rahmenbedingungen, wie zwingende Infrastrukturanlagen oder Naturgefahren, werden besser bereits hier einbezogen, um unrealistische Planungen zu vermeiden.
Die Etappe «Massnahmenplanung» eruiert die Bestvariante mittels Variantenvergleich. Hierzu bietet sich ein standardisiertes Raster an, das je Zielart/-lebensraum das Aufwertungspotential abbildet (siehe Abb. 2). Ist die Bestvariante klar, geht es an die Ausarbeitung der konkreten Massnahmen. Zur Konfliktentschärfung kann mit einer räumlichen oder zeitlichen Differenzierung auf die unterschiedlichen Ansprüche von Zielarten und -lebensräumen eingegangen werden.
Auf die letzte Etappe, die Realisierung und Erfolgskontrolle, geht der Leitfaden nur in groben Zügen ein. Die Erfolgskontrolle, bestehend aus einer Ziel-, Umsetzungs- und Wirkungskontrolle, spielt bei überlagernden Interessen dann eine grosse Rolle, wenn sie Aufschluss darüber gibt, ob die richtigen Schwerpunkte gesetzt und die zielführendsten Massnahmen ergriffen wurden. Je nach Evaluationsergebnis müssen danach die nötigen Korrekturen eingeleitet werden.
Relevanzmatrix der überlagernden Interessen und Lösungsstrategien
Im Sinne eines Hinweises führt der Leitfaden auch eine Relevanzmatrix möglicher divergierenden Interessen auf. So weiss der Nutzer/die Nutzerin, wo im Biotopschutz Evaluation und Abstimmungsbedarf zu erwarten sind, und kann die nötigen Abwägungsschritte in die Wege leiten. Zur Veranschaulichung präsentiert der Leitfaden zudem exemplarisch einige konkrete Aufwertungsprojekte, bei denen überlagernden Interessen vorhanden sind.
Fazit
Im Biotopschutz ist oft keine Sowohl-als-auch-Lösung möglich, es braucht einen systematischen und transparenten Entscheidungsfindungsprozess, bevor mit einzelnen Aufwertungsmassnahmen begonnen wird.
Eine Erfolgskontrolle überprüft, ob die gefällten Entscheide zu einer guten Abstimmung führen und ermöglicht eine allfällige Feinjustierung der Massnahmen. Zudem liefert sie einen Leistungsausweis für die Öffentlichkeit. Gut geplante und sorgfältig ausgeführte Aufwertungsprojekte, die ausreichend begleitet und wenn nötig nachgebessert werden, sind essentiell, um die Ökologische Infrastruktur bzw. die Biodiversität langfristig zu sichern.
Kontakt
Stephan Lussi
BAFU, Sektion Ökologische Infrastruktur,
Tel.: 058 464 49 94
e-mail: stephan.lussi@bafu.admin.ch
Regina Jöhl
Info Habitat/oekoskop
Tel.: 061 336 99 44
e-mail: regina.joehl@oekoskop.ch
Link Bericht
https://infohabitat.ch/allgemein-biop-inventaruebergreifend/