Schnittzeitpunktversuch führt zu neuen Erkenntnissen beim Emdschnitt

Seit 2012 untersucht die Agrofutura AG auf einer Fromentalwiese in Anwil BL und auf einer Magerwiese mit zwei Schnitten in Biberstein AG die Auswirkungen unterschiedlicher Schnittzeitpunkte des Heu- und des Emdschnitts. Während sich die Wiesen gegenüber dem Heuschnittzeitpunkt sehr resilient zeigen und vor allem auf der Magerwiese kaum Änderungen auf Vegetationsebene erkennbar sind, hat sich die Vegetation durch die Variation der Emdschnitte deutlich verändert. Ein Auslassen des Emdschnitts führt im Vergleich zu den geemdeten Flächen zu einer Vergrasung und einer Abnahme des Deckungsgrads der kleinen Kräuter und Leguminosen. Ein später Emdschnitt Mitte September führt im Vergleich zu einem frühen Emdschnitt Mitte August zu einer Zunahme der kleinen Gräser und Seggen, sowie der Leguminosen. Grund dafür ist mit grosser Wahrscheinlichkeit die erhöhte Lichtverfügbarkeit im Frühling, wenn die Flächen tief geschnitten in den Winter gehen. Diese Erkenntnis zeigt neue Möglichkeiten auf, um Kräuter zu fördern und das Blütenangebot zu erhöhen.

Ausgangslage
Extensiv genutzte Wiesen gehören zu den floristisch artenreichsten Lebensräumen der Schweiz und machen den grössten Anteil Biodiversitätsförderflächen (BFF) aus (BAFU, 2014). Dem entsprechend ist ihre Bedeutung für den Naturschutz im Landwirtschaftsgebiet besonders gross (Oppermann, 2003). Im Mittelland liegt der Heuschnittzeitpunkt in den allermeisten Fällen am 15. Juni und ein Grossteil der Wiesen wird gleich in der ersten Schönwetterperiode nach diesem Datum gemäht. Dies führt zu einer starken räumlich-zeitlichen Homogenisierung der Graslandschaft im Mittelland mit negativen Folgen sowohl für die Flora als auch für die Fauna. Während zu verschiedenen Heuschnittzeitpunkten einige Untersuchungen vorliegen (Humbert 2012a, 2012b), gibt es keine bekannten Studien, welche die Effekte von unterschiedlichen Emdschnittzeitpunkten untersuchen.

Vorgehen
In dieser Untersuchung wurden auf einer Fromentalwiese in Anwil BL und einer Magerwiese mit zwei Schnitten in Biberstein AG verschiedene Schnittregime während sechs Jahren angewendet und die Veränderungen der Vegetation durch Erhebungen des Deckungsgrads mittels Braun-Blanquet-Skala (Braun-Blanquet 2013) festgehalten. Die Schnittzeitpunkte der Heuschnittverfahren lagen am 25. Mai, 15. Juni und 15. Juli. Auf der Magerwiese wurde ausserdem der Emdschnittzeitpunkt innerhalb der Heuschnittverfahren („split plot“ Design) variiert. Ein Drittel der Flächen wurde nicht geemdet, ein Drittel früh Mitte August und ein Drittel spät Mitte September. Die Auswertung der Daten erfolgte in Zusammenarbeit mit Sabine Güsewell, einer Statistikerin der  ETH Zürich.

Ergebnisse
Die Ergebnisse zum Heuschnittzeitpunkt zeigen, dass sowohl die Fromentalwiese als auch die Magerwiese sehr resilient sind gegenüber den Heuschnittverfahren und sich auf Vegetationsebene nur leicht (Fromentalwiese) oder nicht nachweisbar (Magerwiese) veränderten. Allerdings profitierten tendenziell einige spät blühende, grosse Kräuter, sowie hochwachsende Gräser von einem späten Schnitt Mitte Juli.
Die Emdschnittverfahren, welche nur auf der Magerwiese Teil des Versuchs waren, führten im Unterschied zu den Heuschnittverfahren zu klaren Veränderungen der Vegetation, insbesondere wenn diese in Artengruppen eingeteilt wurde (Abbildung 1). Von einem Auslassen des Emdschnitts profitierten vor allem die grosswüchsigen Gräser wie Bromus erectus auf Kosten der kleinen Kräuter, z.B. Linum catharticum und Leguminosen wie Medicago lupulina. Das Auslassen des zweiten Schnitts führt also nachweislich zu einer Vergrasung der Wiese, wodurch gleichzeitig die kleinen Kräuter und Leguminosen im Unterschied zu den geemdeten Flächen abnehmen. Ein später Emdschnitt Mitte September führte zur gegenteiligen Entwicklung. Vor allem kleine Gräser und Seggen, sowie Leguminosen nahmen im Unterschied zu den anderen zwei Verfahren (kein Emdschnitt und Emdschnitt Mitte August) zu. Untersuchungen im Rahmen einer Bachelorarbeit der Uni Basel zeigten, dass das Blütenangebot zwischen den Emdschnittverfahren stark variiert und dass das Blütenangebot der spät geemdeten Flächen unabhängig vom Heuschnittzeitpunkt am höchsten ist (Abbildung 2). Die aufgeführten Ergebnisse bestätigen sich bei der Betrachtung der Wiese vor Ort (Abbildung 3). Auf dem Bild sind die drei Emdverfahren (ohne Emdschnitt links, mit einem frühen Emdschnitt Mitte August in der Mitte und mit einem späten Emdschnitt Mitte September rechts) gut zu erkennen. Zu beachten ist der hohe Grasanteil und die Grasbiomasse im nicht geemdeten Plot links und das deutlich höhere Blütenangebot im spät geemdeten Teil rechts.

Abb. 1: Entwicklung der Häufigkeiten von Artengruppen in Magerwiesen in Biberstein. Dargestellt sind die Mittelwerte ± Standardfehler für die summierte Differenz der wurzeltransformierten Deckungen der Jahre 2012–13 und 2015–16 (Summe aller Arten einer Gruppe) und p-Werte der Varianzanalyse für den Vergleich der drei Emdschnittverfahren.
Abb. 2: Blütenanzahl der Erhebung im Mai 2017. Die nicht geemdeten Flächen unterscheiden sich signifikant zu den früh sowie spät geemdeten Flächen (ES kein zu ES früh p=0.006, ES kein zu ES spät p<0.001) (Mittelwert ± Standardfehler) ). Die Buchstaben geben die Heuschnitte an (grob: A-C: Mitte Juni, D-E: Mitte Juli, F-G: Ende Mai). Übernommen aus der Bachelorarbeit von Ursina Studer, Uni Basel (2018).

Diskussion
Die Ergebnisse zum Emdschnittzeitpunkt bestätigen die bisherige Vermutung, dass ein zweiter Schnitt auf Magerwiesen mit zwei Schnitten sehr wichtig ist, um eine Vergrasung des Bestandes und eine Abnahme der Kräuter zu verhindern. Eher überraschend kam das Ergebnis zum deutlichen Unterschied zwischen dem Emdschnitt Mitte August und Mitte September. Von einem späten Emdschnitt profitieren kleine Gräser und Seggen, sowie Leguminosen. Ausserdem ist das Blütenangebot höher als in nicht oder früh geemdeten Flächen. Hierbei handelt es sich um eine neue Erkenntnis, vergleichbare wissenschaftliche Untersuchungen sind keine bekannt. Der Grund für diese Ergebnisse liegt mit grosser Wahrscheinlichkeit bei der Lichtkonkurrenz im Frühling. Durch ein Auslassen des Emdschnitts geht die Vegetation sehr hoch in den Winter, und es bildet sich ein Grasfilz, welcher durch den Schnee zusammengedrückt wird. Dadurch kommt im Frühling sehr wenig Licht an den Boden, was die Keimung und das Wachstum der Kräuter stark behindert. Der Unterschied zwischen den zwei Emdschnittzeitpunkten hat den gleichen Grund: Bei im August geemdeten Flächen können insbesondere Gräser nochmals aufwachsen, so dass sie deutlich höher in den Winter gehen als auf Mitte September geemdeten Flächen. Die hier dargestellten Erkenntnisse ergeben neue Möglichkeiten um vergraste Bestände aufzuwerten und das Blütenangebot zu erhöhen. Da die Erkenntnisse zum Emdschnittzeitpunkt nur für die Magerwiese mit zwei Schnitten vorliegen, ist noch unklar, ob sie sich auch auf nährstoffreichere Wiesen übertragen lassen. Allerdings sind die ökologischen Prinzipien bezüglich Lichtverfügbarkeit im Frühling in diesen Wiesen ähnlich, so dass anzunehmen ist, dass auch dort ein später Schnitt für die Kräuter vorteilhaft ist.

Abb. 3: Zusammengesetztes Foto anfangs Juni 2016 in Biberstein. Links ist die nicht geemdete Fläche (viel Gras), in der Mitte die früh geemdete Fläche und rechts die spät geemdete Fläche (hohes Blütenangebot).

Ausblick
Die dargestellten Resultate zeigen, dass der Versuch wertvolle Ergebnisse zum Einfluss der Schnittzeitpunkte liefert. Mit grosser Wahrscheinlichkeit ist der Entwicklungsprozess, welcher durch die verschiedenen Schnittverfahren eingesetzt hat noch nicht abgeschlossen, und es ist davon auszugehen, dass sich die Unterschiede in den kommenden Jahren noch wesentlich akzentuieren werden. Die Untersuchungen von Köhler (2001) zeigen, dass sich bei relativ drastischen Veränderungen des Schnittregimes erst nach etwa 13 Jahren eine für das jeweilige Schnittregime typische Vegetation ausgebildet hatte. Deshalb kann angenommen werden, dass im Laufe einer zweiten Versuchsperiode 2018 bis 2024 insbesondere die Auswirkungen der verschiedenen Verfahren auf die einzelnen Arten zunehmen werden. Dadurch werden auch die Unterschiede der Pflanzenbestände zwischen den Verfahren grösser. Eine Bestätigung und Vertiefung der bisherigen Ergebnisse ist wichtig, um zu stichfesten Rückschlüssen auf die Bewirtschaftung zu kommen und gegebenenfalls in der Praxis Änderungen anzustreben. Bereits jetzt kann allerdings festgehalten werden, dass ein später Emdschnitt Vorteile mit sich bringt, welche insbesondere durch die klimatisch bedingte, immer länger werdende Vegetationsperiode von Bedeutung sein kann.

Danksagung
Wir bedanken uns herzlich bei den Swisslos-Fonds der Kantone Aargau und Basel-Landschaft, dem Bundesamt für Umwelt BAFU und dem Bundesamt für Landwirtschaft BLW für die Finanzierung sowie bei der Abteilung Landschaft und Gewässer des Kantons Aargau und dem Landwirtschaftlichen Zentrum Ebenrain, Baselland für die Unterstützung des Projekts.
Der gesamte Bericht über die erste Versuchsphase steht hier zum Download zur Verfügung: http://www.agrofutura.ch/projektereferenzen/projekt-detail/schnittzeitpunkt-projekt-2011-2018/

Literatur

  • Braun-Blanquet, J. (2013). Pflanzensoziologie: Grundzüge der Vegetationskunde. Springer-Verlag.
  • Bundesamt für Umwelt, BAFU (2014). Biodiversitätsförderflächen. Schweizerische Eidgenossenschaft.
  • Humbert, J. Y., Ghazoul, J., Richner, N., & Walter, T. (2012a). Uncut grass refuges mitigate the impact of mechanical meadow harvesting on orthopterans. Biological Conservation, 152, 96- 101.
  • Humbert, J. Y., Pellet, J., Buri, P., & Arlettaz, R. (2012b). Does delaying the first mowing date benefit biodiversity in meadowland?. Environmental Evidence, 1(1), 9.
  • Köhler, B. (2001). Mechanisms and extent of vegetation changes in differently managed limestone grasslands. Doctoral Thesis, ETH Zürich.
  • Oppermann, R. (Ed.). (2003). Artenreiches Grünland: bewerten und fördern; MEKA und ÖQV in der Praxis. Ulmer.

Kontakt

Autor und Sachbearbeitung
JONAS LANDOLT
Agrofutura AG, Stahlrain 4, 5200 Brugg
Tel. 056 500 10 69
Email landolt@agrofutura.ch

Projektleitung
MANFRED LÜTHY
Agrofutura AG, Stahlrain 4, 5200 Brugg
Tel. 056 500 10 58
Email luethy@agrofutura.ch