«Grau zu Grün»: Analyse zum Transformationspotential des Strassenraums in der Stadt Zürich

SVEN EGGIMANN,
PHILIPP LISCHER,
JANINE BOLLIGER,

Begrünung des städtischen Strassenraums ist eine Chance, Grünflächen in Städten zu vergrössern, die ökologische Vernetzung oder die Erreichbarkeit von Grünflächen zu verbessern und urbane Hitzeinseln zu verhindern. Das Transformationspotential von grau zu grün wurde mit einem neuen, pragmatischen Konzept basierend auf sogenannten «Superblocks» für die Stadt Zürich untersucht. Dieser vielversprechende Ansatz kann einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigeren Stadtentwicklung leisten.

Grünflächen in der Stadt sind für Mensch und Umwelt von entscheidender Bedeutung: Sie erbringen eine Vielzahl an Ökosystemleistungen, wie die Regulierung des Mikroklimas, ökologische Vernetzung, Reduktion von Lärm, und werden mit einer besseren psychischen Gesundheit in Verbindung gebracht (Kelbaugh 2019). Mit zunehmender urbaner Verdichtung, global schrumpfenden Grünflächen, dem Verlust von Biodiversität und der Entstehung urbaner Hitzeinseln stellt sich die Frage, wie die Bereitstellung von urbanen Grünflächen in Städten gefördert werden kann. Strassenräume sind in urbanen Räumen für einen grossen Flächenverbrauch verantwortlich und weisen daher hohes Potential auf um «graue» in «grüne» Flächen zu transformieren.

Auch die Stadt Zürich hat sich Ziele zur urbanen Grünflächenentwicklung gesetzt und beabsichtig eine Erhöhung der durchschnittlichen Grünflächen pro Stadteinwohner und eine Reduktion der durchschnittlichen räumlichen Entfernung zur nächsten öffentlichen Grünfläche. Die kontrovers diskutierte Aktion «Brings uf d’Strass!» ermöglichte diesen Sommer eine temporäre Umnutzung des Strassenraumes an verschiedenen Standorten in der Stadt Zürich. Dabei liegt der Fokus der Aktion nicht primär auf dem Fördern von Grünflächen, sondern erlaubte eine temporäre Umgestaltung und Umnutzung des Strassenraums (Abb. 1). In anderen Städten wie Barcelona wurden mithilfe des Konzepts von Superblocks Strassenräume permanent umgestaltet. Ein Superblock ist eine Fläche, die durch neun (3×3) urbane Wohnblöcke definiert ist, in der Durchgangsverkehr um den Superblock ­herumgeleitet wird und dadurch der Anteil des motorisierten Individualverkehrs verringert wird (Abb. 2).

Abb. 1: Temporare Begrünung von Strassenraum in Zürich im Rahmen der Aktion «Brings uf d’Strass!» im Sommer 2021 (Bildquelle: Sven Eggimann).
Abb. 2: Schematische Übersicht, wie mithilfe eines Superblocks der Strassenraum innerhalb von neun (3 x 3) Wohnblöcken umgestaltet werden kann. (Quelle: Nieuwenhuijsen 2020)

Durch dieses Konzept lässt sich ein Grossteil der Strassenflächen innerhalb eines Superblocks permanent einer alternativen, nachhaltigeren Nutzung zuführen. Die Frage, inwiefern Superblocks eine Chance bieten für urbane Grünflächen in der Schweiz ist noch ungeklärt. Dieses lösungsorientierte, effiziente und pragmatische Konzept der Superblocks wurde in Zusammenarbeit mit Empa und WSL im Rahmen einer Masterarbeit für die Stadt Zürich exemplarisch durchgeführt (Lischer 2021). Für die Stadt Zürich wurden rund 130 hypothetische Standorte ausgewählt, für die das Superblock Konzept kontextualisiert werden könnte. Anschliessend wurde mit hochaufgelösten Satelliten- und Luftbildanalysen bestehende Grünflächen für diese Standorte quantifiziert und charakterisiert: Mittels NDVI wurde die Grösse und Anzahl von Grünflächen errechnet und die Grünstruktur mittels eines Vegetationshöhenmodells von Ginzler und Hobi (2015) bestimmt. Es konnte dabei aufgezeigt werden, dass der heutige Grad und die Struktur der Begrünung je nach Standort sehr unterschiedlich ist und daraus folglich unterschiedlicher Handlungsbedarf resultiert. Eine methodische Herausforderung bei der Analyse von städtischen Grünflächen ist die Wahl und das Prozessieren der verfügbaren räumlichen Datensätze. Es zeigte sich, dass z.B. die räumliche Auflösung das Resultat massgeblich beeinflusst und für die Analyse des Strassenraums in der Grössenordnung von einem Meter liegen muss. In einem weiteren Schritt wurde der Frage nachgegangen, an welchen Standorten eine Transformation des ­Strassenraums die Vernetzung mit öffentlichen Grünflächen optimiert (Abb.  3). Mithilfe einer multikriteriellen Vorgehensweise wurden die verschiedenen potentiellen Superblock-Standorte hinsichtlich einer geeigneten Umsetzung und potentiellen Auswirkungen analysiert. Wichtige Kriterien umfassten die Menge und Struktur der vorhandenen Grünfläche, die räumliche Einbettung in existierende öffentliche Grünflächen der Stadt oder auch der Grad der Bebauung. Dabei zeigt sich, dass die Wahl geeigneter Standorte stark von der Zielsetzung abhängig ist: Ein spezifischer Superblock Standort kann sich z.B. gut dazu eignen um urbane Hitze zu vermindern, eine Umgestaltung wäre aus einer ökologischer Betrachtungsweise jedoch weniger dringend.

Abb. 3: Optimierte Auswahl potenzieller Standorte (links 10%, rechts 20% aller analysierten Su-perblock Standorte), mit welchen eine Umgestaltung des Strassenraum die durchschnittliche Distanz aller Stadtbewohner zu allgemein zugänglichen Grünflächen (>0.5 ha) am meisten reduziert (Quelle: Lischer 2021).

Neue Ansätze sind gefragt, um dem Bedürfnis der Stadtbevölkerung nach mehr Grünflächen zu entsprechen. Superblocks sind ein neues, effizientes und ­lösungsorientiertes Konzept zur Förderung einer nachhaltigen Stadtentwicklung und können einen wichtigen Beitrag leisten um Lösungen für die vielfältigen Herausforderungen von Stadtgebieten im Rahmen globaler Umweltveränderungen zu finden. Beispiele aus Zürich verdeutlichen die Wichtigkeit des Berücksichtigens der Interessen verschiedener ­Akteure. Die Wahl geeigneter Superblock-Standorte muss gut überlegt und begründet sein und vor einer Umsetzung empfiehlt sich, potentielle Superblock-Standorte hinsichtlich einer Vielzahl an Kriterien detailliert zu evaluieren um die höchste Wirkung zu erzielen.

Kontakt
Sven Eggimann (Empa)
E-Mail: sven.eggimann@empa.ch

Janine Bolliger (WSL)
E-Mail: janine.bolliger@wsl.ch

Literatur
Ginzler, C. and Hobi, M.L. (2015): Countrywide stereo-image matching for updating digital surface models in the framework of the swiss national forest inventory’, Remote Sensing, 7(4), pp. 4343–4370.
Kelbaugh D. (2019): The urban fix: Resilient cities in the war against climate change, heat islands and overpopulation. New York and London: Taylor & Francis.
Nieuwenhuijsen M.J. (2020): Urban and transport planning pathways to carbon neutral, liveable and healthy cities; A review of the current evidence. Environ Int, 140:105661.
Lischer P. (2021): Multi-criteria evaluation of superblock sites in Zurich for greening urban neighborhoods. Master Thesis, ETH Zürich. https://www.wsl.ch/de/ueber-die-wsl/programme-und-initiativen/zentrum-landschaft-wsl.html#tabelement1-tab5