Wildniskarte Schweiz 2.0 und ein Blick in die Vergangenheit

Matteo Riva, Robin Burch, Felix Kienast, WSL in Zusammenarbeit mit Mountain Wilderness Schweiz (Sebastian Moos) und Pro Natura (Celine Richter & Jan Guerke)

Im Jahr 2019 haben Mountain Wilderness Schweiz und die WSL eine Wildniskarte (1.0) publiziert (Bristol Band 60). Sie gibt die Wildnisqualität als Summe von vier gängigen Wildniskriterien wieder: „Natürlichkeit”, „Menschliche Einflüsse”, „Abgeschiedenheit” und „Rauheit der Topographie”. Alle vier Kriterien wurden mit Geodaten simuliert und von Fachpersonen beurteilt. Mit der Publikation wurde Kritik laut, dass es viele wilde Gebiete ausserhalb der Alpen gebe, die auf der Karte wegen der Dominanz der alpinen Wildnisgebiete untergingen. Deshalb nahmen die Autoren die Karte erneut unter die Lupe, diesmal verstärkt durch Pro Natura, welche für die Kampagne «Wildnis – mehr Freiraum für die Natur!» Informationen zu Flächen mit Wildnispotenzial auch ausserhalb der Alpen benötigte. Ohne die Karte 1.0 zu verändern, wurde mit Expertinnen und Experten für jede biogeographische Region je ein eigener Schwellenwert bestimmt, über dem ein Gebiet als wild angesehen wird. Jetzt sind auch Gebiete im Jura, den Voralpen und gar im Mittelland sichtbar, die ein gewisses Wildnispotenzial haben (Karte).

Gleichzeitig haben wir in der Masterarbeit von Robin Burch einen Blick in die Vergangenheit gewagt. Mit Arealstatistik und weiteren Geodaten wurden die oben erwähnten Wildniskriterien zurück bis 1985 angenähert. Herausgekommen ist eine bemerkenswerte Zeitserie von Karten, die zeigt, dass Wildnis vielerorts zurückgegangen ist. Der Hauptgrund ist aber nicht die abnehmende Natürlichkeit der Landnutzung, die sogar in vielen periphereren Lagen zugenommen hat, sondern die Abnahme der Abgeschiedenheit. Dies zeigt, wie sich unsere Gesellschaft immer mehr in wilde, von Naturprozessen dominierte Gebiete vordrängt.

Karte: Qualität der Wildnisgebiete > 200ha der Schweiz auf einer Skala von 4 – 20 (dimensionslos) nach Original Wildniskarte 1.0. Werte ≤ 7 werden nicht dargestellt, da die Wildnisqualität zu tief ist. Je nach Region ist der Schwellenwert über dem ein Gebiet als Wildnisgebiet zählt, tiefer oder höher. Deshalb sind z.B. im Mittelland Gebiete ausgeschieden, die es aufgrund ihrer Qualität z.B. in den Alpen nicht in die Auswahl geschafft hätten (Schwellenwerte: Jura und Mittelland ≥ 8; Voralpen ≥ 10; Nordalpen und südlicher Tessin ≥ 12; Zentralalpen und Südalpen ≥ 14).

Kontakt:
Felix Kienast, felix.kienast@wsl.ch
Matteo Riva, matteo.riva@wsl.ch
Robin Burch, robin.burch@usys.ethz.ch

Literatur:
Moos, S., Radford, S., von Atzigen, A., Bauer, N., Senn, J., Kienast, F., Conradin, K. (2019). Das Potenzial von Wildnis in der Schweiz. Bristol-Schriftenreihe: Vol. 60. Bern: Haupt Verlag.

Download der Karten:
https://www.wsl.ch/de/wald/biodiversitaet-naturschutz-urwald/wildnis-und-verwilderung.html

Masterarbeit Robin Burch:
https://www.wsl.ch/de/publikationen/naturraeume-unter-druck-eine-naturwissenschaftliche-betrachtung-der-veraenderungen-von-wilden-raeumen-in-der-schweiz-seit-1985.html