BetterGardens: Biodiversität, Bodenqualität und sozialer Wert von Stadtgärten

Die trans- und interdisziplinäre Studie BetterGardens wird vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL (Projektleitung) und von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL durchgeführt. Sie findet in den drei Städten Bern, Lausanne und Zürich statt. Das Projekt wird von städtischen Behörden und dem Schweizerischen Familiengärtnerverband unterstützt und vom Nationalfonds (Sinergia) finanziert. BetterGardens untersucht die sozialen und ökologischen Eigenschaften von Gärten in der Stadt sowie deren Wechselwirkungen. Die Studie zielt darauf hin, wissenschaftliche Grundlagen für Gartenformen zu schaffen, welche Biodiversität fördern und Ökosystemleistungen in der Stadt erbringen. Sie soll ausserdem den Wert urbaner Grünflächen aufzeigen, welche durch bauliche Verdichtung zunehmend unter Druck geraten. In diesem Beitrag werden das Projekt und erste Resultate vorgestellt.

Hintergrund
Mehr als die Hälfte der Menschheit lebt in städtischen Gebieten, Tendenz zunehmend. In der Schweiz wohnt etwa 75% der Bevölkerung im urbanen Raum, in Europa ist es ca. 80%. Naturerfahrungen machen die meisten Menschen im Alltag deshalb auf angelegten Grünflächen. Ein Grossteil davon sind Gärten. Erste Studien zeigen deren positiven Einfluss auf die Lebensqualität der Stadtbewohner und auch ihre Rolle als Lebensraum vieler Tier- und Pflanzenarten. Obwohl der Wert urbaner Gärten zunehmend anerkannt wird, gibt es noch viele Wissenslücken. Gerade Wechselwirkungen zwischen sozialer Funktion und Ökologie der Gärten wurden bisher kaum erforscht. Auch über die daraus resultierenden Ökosystemleistungen ist wenig bekannt. Einerseits ist die Förderung solcher Leistungen im Stadtgebiet ein Ziel der Biodiversitätsstrategie des Bundes, andererseits gerät sie zunehmend in Konflikt mit der baulichen Verdichtung (Abbildung 1).

Abb. 1: Gärten erfüllen wichtige soziale und ökologische Funktionen im urbanen Raum. Diese können jedoch im Widerspruch mit der angestrebten baulichen Verdichtung stehen.

Projektziele
Die Studie soll wissenschaftliche Grundlagen für best practice Empfehlungen schaffen und Argumente für den Erhalt von städtischen Grünflächen liefern. Im Rahmen von vier Teilprojekten untersuchen Sozial- und NaturwissenschaftlerInnen einerseits, wie Gärten bewirtschaftet werden und welches die sozialen und politischen Voraussetzungen verschiedener Bewirtschaftungsformen sind. Andererseits werden die Auswirkungen unterschiedlicher Anbausysteme auf Biodiversität, Bodeneigenschaften und Ökosystemprozesse sowie auf die Lebensqualität der GärtnerInnen erforscht. Abbildung 2 gibt einen Überblick über den Aufbau und die Forschungsschwerpunkte des Projekts.

Abb. 2: Aufbau und Forschungsschwerpunkte des Projekts.

Methoden
Der Kern der Studie bilden 40 Familiengartenparzellen und 40 Privatgärten in der Stadt Zürich, die alle vier Teilprojekte (TP) intensiv untersuchen. Mittels Fallen, Bodenproben und Vegetationsaufnahmen werden Bodenqualität und Biodiversität mehrerer Artengruppen geschätzt. Diese Daten sind mit Fragebögen, Interviews und Feldaufnahmen erhoben worden. Mehrere Ökosystemprozesse sind zudem experimentell erfasst worden. Auf diesen Resultaten basierend hat das Forschunsgsteam eine grossangelgte Befragung in den Städten Bern, Lausanne und Zürich durchgeführt, um Biodiversität, Bewirtschaftungsform und soziale Nutzung und Bedeutung von rund tausend Gärten zu erheben.

Ausgewählte Ergebnisse

Entscheidungsfaktoren für GärtnerInnen (TP 1)

  • Wahl der Bewirtschaftungsform: Es zeigte sich, dass Regulierung bei GärtnerInnen schlecht ankommt. Massnahmen, die darauf abzielen, bestimmte gärtnerische Praktiken zu fördern, sollten daher auf Anreize statt auf Verbote setzen. Einige der Befragten nannten ihre Einstellung als unmittelbaren Grund für ihr Verhalten: Identität und/oder eine Verpflichtung gegenüber einem übergeordneten Prinzip, etwa die Umwelt für künftige Generationen zu bewahren, bestimmen gewisse Bewirtschaftungsweisen.
  • Einfluss des sozialen Umfelds: Viele der Befragten gaben an, Nachbarsgärten zu studieren oder Praktiken mit Nachbarn, Familie oder Freunden zu besprechen. Dennoch fühlen sich nur wenige verpflichtet, wegen der Nachbarschaft eine bestimmte Bewirtschaftungsweise aufrechtzuerhalten.
  • Zugang zu Wissen: Das Problem eines eingeschränkten Zugangs zu Wissen scheint im Allgemeinen nicht zu bestehen. Einige GärtnerInnen sind jedoch gegenüber Informationen empfänglicher als andere. Die genannten Wissensquellen umfassten ‘in der Kindheit erlernte Praktiken’, ‘trial-and-error’, ‘Nachbarn nachahmen’, ‘Gespräche mit Verwandten’, ‘alltägliche Plaudereien im Garten’, ‘erfahrenen Leuten zuhören’, ‘Gartenzeitschriften’, ‘Gartenbücher’, ‘Fernsehsendungen’ und ‘Gartenkurse’.
  • Praktische Einschränkungen: Zeitknappheit oder Geldmangel schränken viele der Befragten ein. Wer biologische Gartenpraktiken fördern will, würde deshalb mit Vorteil zeit- und geldsparende Methoden entwickeln. Die Präsentation erfolgreicher Ergebnisse könnte ausserdem eine verstärkte Identifikation mit dem biologischen Gärtnern bewirken und zugleich Widerstand von Nachbarn vermindern, der ebenfalls einschränkend wirken kann.

 

Auswirkungen auf die GärtnerInnen (TP 2)

  • Sozialer Austausch: Sowohl Privat- als auch Familiengärten sind eine wichtige Ressource für soziale Kontakte und Erholung. Das zeigt eine repräsentative Befragung bei Personen mit Privatgarten in Zürich, Bern und Lausanne (N=444, Rücklaufquote 29%) und Familiengarten in Zürich (N=108, Rücklaufquote 48%). Im Garten werden familiäre und freundschaftliche Beziehungen rege gepflegt. In den drei Monaten vor der Befragung hatten 86% der Familien- und 95% der PrivatgärtnerInnen mit Familienangehörigen Zeit im Garten verbracht, ungefähr gleiche Anteile hatten Zeit mit Freunden im Garten verbracht.
  • Weiter NutzerInnenkreis: Das bedeutet unter anderem, dass nicht nur die Gärtnernden von diesen urbanen Grünflächen profitieren, sondern auch zahlreiche weitere Personen: 43% der PrivatgärtnerInnen gaben an, dass in den letzten drei Monaten mehr als 10 Personen zu Besuch in ihren Garten kamen. Bei den FamiliengärtnerInnen waren es 27%, die mehr als 10 BesucherInnen hatten (Abbildung 3).
  • Erholung: Eine große Mehrheit der Gärtnernden empfindet ihren Garten als erholsam. 48% der Befragten fühlen sich nach dem Aufenthalt im Garten viel entspannter als vorher, weniger als 2% fühlen sich hingegen weniger entspannt.
Abb. 3: Anzahl Personen, die innerhalb der drei Monate vor der Befragung als BesucherInnen Zeit im Garten der befragten Person verbracht haben.

Auswirkungen auf die Biodiversität (TP 3)

  • Artenvielfalt wirbelloser Tiere: Gärten können unerwartet artenreich sein. Zwischen Juni und August wurden insgesamt über 1’100 Arten nachgewiesen (Abbildung 4). Die Artenvielfalt in einem Garten hängt sowohl von dessen Eigenschaften (z.B. Pflegeintensität) als auch von der landschaftlichen Umgebung (z.B. Versiegelungsgrad) ab. Der relative Einfluss von Garten und Landschaft ist allerdings stark vom Aktionsradius der Tiere abhängig: Der Artenreichtum der wenig mobilen Schnecken wird fast ausschliesslich von kleinräumigen Faktoren wie Bodenart oder Pflegeintensität gesteuert, während Landschaftsfaktoren kaum eine Rolle spielen. Selbst Gärten in der dicht bebauten Innenstadt können sehr reich an Schneckenarten sein, sofern sie unter anderem extensiv gepflegt werden. Im Gegensatz dazu reagieren die mobilen Schwebfliegen vorwiegend auf die Gartenumgebung: Ein hoher Deckungsgrad von Hecken und Bäumen in der Stadtlandschaft fördert ihre Vielfalt in den Gärten.
  • Artenreichtum der Pflanzen: Die Vielfalt der in den Gärten vorkommenden Pflanzen ist überaus hoch: Über 1‘070 Arten wurden bestimmt. Davon werden über die Hälfte wegen ihrer attraktiven Blüten angepflanzt, 17% wachsen spontan und 13% dienen der Ernährung. Etwa je ein Drittel der Arten kommen aus Europa (inkl. Mittelmeerraum), sind Kosmopoliten oder haben eine außereuropäische Herkunft. Die größte Artenvielfalt haben Gärten mit einem grossen Blumenanteil sowie abwechslungsreiche und extensiv gepflegte Parzellen, in denen ein hoher Pflanzenreichtum angestrebt wird.
  • Neue und seltene Arten: 12 Wirbellose konnten zum ersten Mal in der Schweiz oder nördlich der Alpen nachgewiesen werden. Dazu gehören Zikaden, Wanzen, sowie je eine Wespen-, Schnecken- und Rüsselkäferart. Einige davon leben auf kultivierten Pflanzen, mit denen sie vermutlich eingeführt wurden, und/oder profitieren vom trockenwarmen Stadtklima, welches demjenigen ihres Herkunftsgebiets gleicht. Keine der Arten gilt als invasiv. Auch rund 20 im Gebiet seltene oder gefährdete Arten wurden gefunden; in einzelnen Gärten sogar in hohen Dichten.
Abb. 4: Minimum (rot), maximum (grün) und durchschnittliche (grau) Artenzahl pro Garten und taxonomischer Gruppe.

Auswirkungen auf Bodenprozesse (TP 4)

  • Bodenqualität: Die Analyse von Nährstoffen wie P, K, Mg aber auch physikalische Eigenschaften wie Lagerungsdichte, Tongehalte und Aggregatstabilität zeigen, dass die Qualität der Gartenböden von stark von organischer Düngung und Störungen, z.B. durch umgraben, abhängt.·
  • Abbauleistung: Die Zersetzung der Pflanzenreste und die daraus resultierende Mineralisierung der Nährstoffe im Boden sind zentrale Ökosystemleistungen, an denen viele verschiedene Organismen teilhaben. Mittels Streubeuteln mit unterschiedlichen Maschenweiten konnten die Forschenden feststellen, dass die Abbaurate von sowohl Arten- als auch Individuenzahl der Schnecken und Regenwürmer positiv beeinflusst wird. Eine hohe mikrobielle Biomasse fördert den Abbau ebenso. Die Präsenz dieser Organismen hängt von der Bewirtschaftungsweise ab: Je häufiger gehackt und umgegraben wird, desto weniger Schnecken und Regenwürmen sind vorhanden, womit auch die Zersetzungsrate und Mineralisierung abnehmen.

Ausblick
Das Projekt läuft bis Ende 2017. Diverse Publikationen in Fachzeitschriften und Vorträge sind geplant. Zusätzliche Informationen finden sich auf der Projekthomepage www.bettergardens.ch.

Kontakt
ROBERT HOME (Projektleiter), robert.home@fibl.org
MARCO MORETTI (Kontaktautor), marco.moretti@wsl.ch