Amphibien sind in der Schweiz stark gefährdet. Diese bedrohte Tiergruppe wird unter anderem durch Wiederansiedlungen gefördert. Ein naturschützerisches Ziel ist neue Populationen innerhalb ihres historischen Areals zu schaffen und so die räumliche Vernetzung zu verbessern. Am Beispiel zweier gefährdeter Amphibienarten, der Kreuzkröte und der Geburtshelferkröte, haben wir untersucht, welche Konsequenzen Wiederansiedlungen in ihrem historischen Areal auf die genetischen Eigenschaften von angesiedelten Populationen haben. Wiederangesiedelte und natürliche Populationen beider Arten zeigten vergleichbare genetische Diversität. Allerdings wiesen wiederangesiedelte Populationen mit mehreren Hundert bis Tausend ausgesetzten Kaulquappen verschiedener Herkunft eine grössere genetische Variabilität auf und zeigten eine bessere genetische Durchmischung.
Unsere Landschaft ist vom Menschen geprägt und aus ökologischer Sicht stark fragmentiert. Das hat zur Folge, dass Tier- und Pflanzenpopulationen isoliert sind und aufgewertete oder neu geschaffene Lebensräume gar nicht erreichen können. Um dieses Problem einzudämmen, siedelt man im praktischen Naturschutz Arten innerhalb ihres historischen Areals aktiv wieder an (Translokation, siehe auch Hotspot 2015). Bei Amphibien können Wiederansiedlungen innerhalb ihres historisch dokumentierten Verbreitungsgebietes zielführend sein, wenn natürliche Wiederbesiedelung kaum, nur sehr langsam oder gar nicht stattfinden kann. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn unüberwindbare Barrieren in der Landschaft oder grosse räumliche Distanzen zwischen einzelnen Beständen die natürliche Wiederbesiedlung verhindern.
Bei Erfolgskontrollen von Wiederan-siedlungsprojekten wird oft nur untersucht, ob sich eine neue Population etablieren konnte. Für das langfristige überleben angesiedelter Populationen ist aber auch deren genetische Vielfalt wichtig. Ansiedlungen werden meist mit einer aus populationsgenetischer Sicht kleinen Anzahl Tiere durchgeführt, sodass längerfristig möglicherweise die genetische Vielfalt verloren geht. Ob und wie stark Wiederansiedlungen die genetische Vielfalt bei Amphibien beeinflussen, war das Thema einer Masterarbeit an der Universität Zürich und der WSL. Wir untersuchten zwei gefährdete Amphibienarten in den Kantonen Luzern und Zürich: die Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans) und die Kreuzkröte (Epidalea calamita, Abbildungen 1 und 2).
Für die Geburtshelferkröte im Kanton Luzern wurden Kaulquappen aus sechs natürlichen und sieben angesiedelten Beständen beprobt, bei der Kreuzkröte im Kanton Zürich Kaulquappen aus 11 natürlichen und sieben angesiedelten. Im Labor massen wir anschliessend mit Mikrosatelliten die genetische Vielfalt der Proben. Für beide Arten zeigte sich, dass die wiederangesiedelten Bestände genetisch ähnlich divers waren wie die natürlichen Vorkommen. Ein Vergleich von wiederangesiedelten Populationen untereinander ergab aber, dass Populationen, die mit wenig Individuen angesiedelt worden waren (KAP, GEI, OTT, Abbildung 3a), genetisch weniger variable waren als Populationen, die mit vielen Kaulquappen verschiedener Herkunft gegründet worden waren (SAG, CHR, SON, Abbildung 3). Dies ist einerseits durch die relativ geringe Wanderfreudigkeit der Geburtshelferkröte zu erklären. Andererseits auch dadurch, dass die professionell durchgeführten Wiederansiedlungen mehrere Hundert bis Tausend Individuen ganz unterschiedlicher Herkunft verwendet hatten. Auch bei der Kreuzkröte zeigte sich, dass mehrere Hundert bis mehrere Tausend ausgesetzte Kaulquappen zu einer guten genetischen Durchmischung führten (Abbildung 3b). Allerdings ist die Kreuzkröte grundsätzlich wanderfreudig, was auch bei natürlichen Populationen zu einer sehr guten genetischen Durchmischung führt: Mit Genflussanalysen konnten wir Wanderdistanzen bis zu 25 Kilometer nachweisen. Die gute genetische Durchmischung der natürlichen Populationen ist ein Zeichen dafür, dass sich die Bestände der Kreuzkröte auch im stark menschlich geprägten Lebensraum gut durchmischen, indem die Individuen wandern (siehe auch Frei et al. 2014, Schweizer 2014).
Wer Wiederbesiedlungen plant, sollte möglichst viele Tiere aus möglichst vielen Populationen aussetzen. Ausserdem müssen die vorgesehenen Herkunfts-populationen gross genug sein, um mehrere Hundert Individuen zu spenden, ohne selber dezimiert zu werden. All dies richtig einzuschätzen, erfordert unbedingt eine enge, professionelle Begleitung und Lenkung der Wiederansiedlungsprojekte. Wiederansiedlungen sind jedoch nur eine Möglichkeit, gefährdete Tierarten zu fördern. Primär sollen bestehende Populationen erhalten und gestärkt werden, sodass genügend wanderfreudige Jungtiere entstehen können. In einem Lebensraumnetzwerk sollten zuerst die noch existierenden Populationen gestärkt werden. Wenn sich nämlich das Lebensraumangebot und dessen Qualität zeitnah verbessern, stehen die Chancen gut, dass die Amphibien diese Lebensräume von alleine (wieder)besiedeln. Meist limitiert schlicht der fehlende Lebensraum das Fortbestehen von Populationen in unserer intensiv genutzten Landschaft, nicht die oft unterschätzten Wanderdistanzen der Arten.
Dank
Wir danken für die finanzielle Unterstützung dieser Arbeit durch die WSL, die Universität Zürich und das BAFU (Forschungsvertrag 13.007PJ/M214-0617).
Originalveröffentlichung
Müller, R. P. (2016) Genetic assessment of translocations: a case study of two endangered amphibians. Master thesis, University of Zurich and WSL.
Referenzen
HOTSPOT. 2015. Chancen und Grenzen der Wiederansiedlung von Arten 31: 8-9.Frei M., Csencsics D., Bühler C., Gugerli F., Bolliger J. 2014. Wie gut sind Vorkommen der Kreuzkröte in einer landwirtschaftlich geprägten Landschaft vernetzt?
N&L Inside 4:16-20.Schweizer E (2014) Raumnutzung der Kreuzkröte (Bufo calamita) im Ackerbaugebiet. Unpublished Bachelor Thesis, University of Applied Sciences Zurich, Zurich.
Autoren
Ramon Müller1,2
Janine Bolliger2
Benedikt R. Schmidt1,3
1 Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften, Universität Zürich, Winterthurerstrasse 190, 8057 Zürich, ramon.mueller2@uzh.ch & benedikt.schmidt@uzh.ch
2 WSL Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, Zürcherstrasse 111, 8903 Birmensdorf, janine.bolliger@wsl.ch
3 karch, Passage Maximilien-de-Meuron 6, 2000 Neuchâtel