Dimmbare LED Strassenleuchten: Gute Aussichten für Nachtinsekten und Fledermäuse?

Janine Bolliger, Tom Hennet, Robert Pazur, Beat Wermelinger, Ruedi Bösch, Stephan Blum, Jörg Haller, Martin K. Obrist

Abb. 1: Beispiele von Insekten, die in den Fallen an den Strassenleuchten gefunden wurden. Ameise: Geflügelte Geschlechtstiere von Ameisen waren in bestimmten Wochen oft in den Fallen an den Strassenleuchten zu finden. Falter: Auch der berüchtigte Buchsbaumzünsler fand sich in den Fallen (Fotos: Beat Wermelinger).

Zur Orientierung verlassen sich nachtaktive Insekten auf das Licht der Gestirne. Kommen künstliche Lichtquellen wie zum Beispiel Strassenleuchten in die Quere, fliegen die Insekten in spiralförmigen Bahnen auf die Leuchten zu – im Bestreben, den Kurs zu korrigieren, weil die Leuchten viel näher sind als die Gestirne. Zwar verbrennen die Tiere bei modernen LED-Strassenleuchten nicht mehr, aber künstliche Lichtquellen führen nach wie vor dazu, dass die Tiere die Leuchten bis zur Erschöpfung umkreisen. Kann eine geringere Helligkeit der Strassenbeleuchtung Insekten und insektenjagende Fledermäuse positiv beeinflussen und die Barrierewirkung von künstlichem Licht verringern? Die WSL ist diesen Fragen nachgegangen und hat in Zusammenarbeit mit EKZ (Elektrizitätswerke des Kantons Zürich) einen Pilotversuch an dimmbaren LED-
Strassenleuchten gestartet.

Künstliches Licht bei Nacht als ökologischer Störfaktor

Künstliches Licht bei Nacht ist ein wichtiger Treiber des globalen Wandels und wird zunehmend als Bedrohung für das Funktionieren von Ökosystemen erkannt (Hölker et al. 2010). Licht in der Nacht kann  z.B. Fledermäuse vom rechtzeitigen Ausflug zur Jagd abhalten, den zirkadianen Rhythmus von Tieren und Pflanzen stören, oder die Bestäubung von Pflanzen durch nachtaktive Insekten beeinträchtigen (Knop et al. 2017). Licht bei Nacht kann auch eine Falle oder Barriere darstellen, die die Bewegung und Vernetzung von Nachtorganismen beeinträchtigt (Gaston et al. 2013). Zu den neuen Entwicklungen für ein nachhaltiges Management der öffentlichen Infrastruktur gehören innovative Steuerungslösungen zur Beleuchtung von Strassen, die eine flexible Anpassung der Lichtintensität an das Verkehrsaufkommen ermöglichen. Wir zeigen, dass intelligent auf bis zu 40% gedimmte Strassenbeleuchtung wesentlich zu dunkleren Korridoren für nachtaktive Insekten (Abb. 1) und Fledermäuse beitragen kann. Während in erster Linie die Witterung (Temperatur, Niederschlag) die Anzahl der gefangenen Insekten und die Anzahl der akustischen Fledermausaufzeichnungen beeinflussten, werden bei gedimmten Lichtverhältnissen deutlich weniger Insekten gefangen und weniger Fledermäuse aufgezeichnet. Unsere Ergebnisse zeigen, dass moderne Steuerungslösungen von Strassenbeleuchtungen nachhaltige Maßnahmen zur Minderung negativer Auswirkungen von künstlichem Licht auf Nachtinsekten und Fledermäuse sein können.

Gedimmte Strassenleuchten reduzieren die Beleuchtungsintensität auf bis zu 40%

Die EKZ haben entlang zweier Teststrecken in Regensdorf und Urdorf (Kanton Zürich) bedarfsorientierte Leuchtensteuerungen installiert. Ursprünglich konzipiert um elektrische Energie zu sparen, senken die bedarfsorientiert gesteuerten Beleuchtungsanlagen bei niedrigem Verkehrsaufkommen die Beleuchtungsintensität auf bis zu 40% ab, ohne die Verkehrssicherheit zu gefährden. Gedimmt wird, sobald die Bewegungssensoren an den Strassenleuchten weniger (Urdorf) beziehungsweise keinen Verkehr (Regensdorf) registrieren. Ein Dimmen der Strassenleuchten auf bis zu 40% bewirkt Stromersparnisse in derselben Grössenordnung.  Aus Sicherheitsgründen werden Strassenleuchten an Fussgängerstreifen nachts durchgehend voll beleuchtet. Die Strassenleuchten entlang der beiden Pilotstrecken sind alle mit modernsten, energieeffizienten LED Leuchtmitteln bestückt, die so optimiert sind, dass möglichst wenig Streulicht produziert wird.

Die Beleuchtung und das Dimmungssystem sind in Regensdorf und Urdorf unterschiedlich. In Regensdorf reagieren die Leuchten via Radarsensoren auf jeden einzelnen Verkehrsteilnehmer. Nähert sich ein Fahrzeug, so gehen jeweils die nächsten vier Leuchten ähnlich einer «Wellenbewegung» in Fahrtrichtung auf die volle Lichtstärke. Mittels Funk werden die Signale jeweils an die nächsten Strassenleuchten weitergegeben. In Urdorf passt sich die Helligkeit der Beleuchtung fliessend dem Verkehr in einem bestimmten Zeitraum an. Dadurch entstehen keine schnellen Helligkeitswechsel. Die Kommunikation der Leuchten untereinander erfolgt ebenfalls via Funk. Beide Anlagen schalten das Licht zudem unter der Woche morgens um 1:30 Uhr ganz ab.

Um die Auswirkung gedimmter Strassenleuchten auf Insektenhäufigkeiten und Fledermausaktivität zu untersuchen, kam auf den Teststrecken in Urdorf und Regensdorf zwischen 2. Mai und 19. Juli 2017 jeweils abwechselnd eine Woche lang Volllicht zum Einsatz, gefolgt von einer Woche unter gedimmter Beleuchtung. Das manuelle Umschalten von Volllicht zu gedimmtem Licht, resp. umgekehrt erfolgte jeweils am Freitag. Die Beleuchtungsstärke in Lux wurde mit einem Luxmeter gemessen. In ca. 4m Höhe wurde an zwei Strassenleuchten pro Standort ein Datenlogger am Anfang und Ende der Beleuchtungs-Versuchsstrecke angebracht (Abb. 2). Es zeigte sich, dass das Dimmen von Strassenleuchten eine sehr effiziente Methode ist, um die Lichtimmissionen in die Umwelt zu reduzieren. Insgesamt wurde während 32 Nächten beprobt (16 gedimmt, 16 Volllicht). Direkt unter den Strassenleuchten montierte Insektenfallen fingen fliegende Nachtinsekten ein, während die Fledermausaktivität mit «Batloggern» (Elekon AG, Luzern) aufgenommen wurde (Abb. 2).  Für die Auswertungen wurde eine «Nacht» definiert als der Zeitraum zwischen 22 und 4 Uhr. Die Insektenfallen wurden abends aktiviert, und frühmorgens wurden die während der Nacht gefangenen Insekten eingesammelt. So konnte sichergestellt werden, dass nur Nachtinsekten gefangen wurden. Die Daten der Batlogger zur Aufnahme der akustischen Fledermaussignale wurden einmal pro Woche ausgelesen.

Abb. 2: Montage (Foto oben links) und fangaktive Insektenfalle (Foto Mitte links). Die schwarze Box ist ein Fledermauslogger, dessen Mikrofon am äusseren Ende der unteren Fallenhalterung angebracht ist. Anbringe des mit Flüssigkeit gefüllten Fangbechers (Foto unten). (Foto links oben und Mitte: J. Bolliger; Foto rechts: N. Obrist; Foto unten: K. Soland)

Sind hohe Beleuchtungsintensitäten von Strassenleuchten eine Barriere für nachtaktive Insekten und Fledermäuse?

Mit durchschnittlich nur 10 Insekten pro Falle und Nacht fingen wir unerwartet wenig Insekten. Dies könnte im Zusammenhang stehen mit dem gegenwärtigen allgemeinen Insektenschwund in stark vom Menschen geprägten Landschaften (Hallmann et al. 2017). Was sind nun die Resultate unserer Versuche? Hauptverantwortlich für die grossen Unterschiede in Insektenfangzahlen und Fledermausaktivität war primär die Witterung – je wärmer und je trockener die Nacht, desto mehr Insekten wurden gefangen (Abb. 3a), und desto mehr Fledermäuse wurden registriert (Abb. 3b). Und welchen Einfluss hatten die gedimmten Leuchten im Vergleich zum Volllicht? Reduzierte Beleuchtungsintensitäten resultierten in systematisch weniger gefangenen Insekten (≈ 50%) und weniger aufgezeichneten akustischen Fledermaussignalen. Unter gedimmten Beleuchtungsverhältnissen wurden also weniger Insekten vom Licht angezogen, und die Fledermäuse jagten weniger an den Leuchten nach Insekten. Das heisst, dass dimmbare Strassenleuchten also auch die Barrierewirkung von künstlichem Licht vermindern.  Allerdings beeinflussten die gedimmten Beleuchtungsverhältnisse nicht alle Insekten- und Fledermausgruppen gleich positiv. Bei den Insekten zeigte sich eine signifikante Reduktion bei den Wanzen, Nachtfaltern und Hautflügler, während Fliegen, Mücken und Käfer weniger stark durch die Beleuchtungsintensität beeinflusst waren (Abb. 3a). Bei den Fledermäusen profitierten ausschliesslich die häufigen Arten vom reich gedeckten Tisch bei den Leuchten, während die anspruchsvolleren und selteneren Arten an den Strassenleuchten nicht registriert wurden (Abb. 3b). Die Modellgüte der verwendeten Regressionsmodelle war gut bis sehr gut für Insekten, während die Modelle für Fledermäuse nur für häufige (LC) und eine Gilde (MRE) interpretierbar waren.

Abb. 3a (oben) 3b (unten): Parameterschätzungen (%) der einzelnen Variablen für (a) Insekten, (b) Fledermäuse. Statistische Signifikanzlevels: 0 ‚***‘, 0.001 ‚**‘, 0.01 ‚*‘, 0.05 ‚ ‚, 0.1 ‚ ‚, 1 ‚(.)‘. Fledermausgilde und Rote Liste Kategorie, für die ein Modell kalibriert werden konnte: MRE (Echolot mittlerer Reichweite) und LC: nicht bedroht. Parameter: volles im Vergleich zu gedimmtem Licht; mittlere Nachttemperatur; nächtliche Niederschlagssumme; mittlere Vegetationshöhe in einem 15m Puffer um die einzelnen Strassenleuchten; Insektenbiomasse (Trockenbiomasse der gefangenen Insekten pro Nacht und Falle). Lesebeispiele: Unter Volllicht wurden mehr in Insekten gefangen, resp. eine höhere Fledermausaktivität registriert; Niederschlag hat auf die Anzahl der Tiere in diversen Insektengruppen einen negativen Effekt; mit Anstieg der gemessenen Insektenbiomasse steigt die Aktivität der Fledermäuse an.

Fazit

Unsere Resultate zeigen, dass die Beleuchtungsintensität neben der Witterung ein wichtiger Umweltfaktor ist, der das Vorkommen von Insekten an Strassenleuchten erklärt. Eine Reduktion der Beleuchtungsstärke von Strassenleuchten kann also dazu beitragen, nachtaktive Tiere durch künstliches Licht weniger zu beeinträchtigen. Das heisst, eine Reduktion der Beleuchtungsstärke aufgrund bedarfsgesteuerter Strassenleuchten erlaubt nicht nur Stromersparnisse, sondern hilft wirkungsvoll mit, Dunkelkorridore für nachtaktive Insekten und Fledermäuse zu fördern.

Dank

Die Finanzierung dieses Projektes wurde durch GeneMig des Kompetenzzentrums für Umwelt und Nachhaltigkeit (CCES-ETH), der Naturschutzfachstelle des Kantons Zürich (Pascale Weber), das AWEL (Valentin Delb), die WSL und EKZ ermöglicht. Herzlichen Dank gebührt D. Schneider, H. Paproth und A. Zberg von der WSL und Katia Soland von den EKZ für die unzähligen erbrachten Hilfeleistungen, die dem Projekt zum Erfolg verholfen haben.

Kontakt

Janine Bolliger
Eidg. Forschungsanstalt WSL,
janine.bolliger@wsl.ch

Jörg Haller
Elektrizitätswerke des Kanton Zürich EKZ
joerg.haller@ekz.ch

Autoren

Janine Bolliger 1
Tom Hennet1
Beat Wermelinger1
Robert Pazur1
Ruedi Bösch1
Stephan Blum2
Jörg Haller2
Martin K. Obrist1

1) Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft  WSL , 8903 Birmensdorf
2) Elektrizitätswerke des Kanton Zürich EKZ, Überlandstrasse 2, 8953 Dietikon

Literatur

Gaston, K. J., J. Bennie, T. W. Davies, and J. Hopkins. 2013. The ecological impacts of nighttime light pollution: a mechanistic appraisal. Biological Reviews 88:912-927.

Hallmann, C. A., M. Sorg, E. Jongejans, H. Siepel, N. Hofland, H. Schwan, W. Stenmans, A. Muller, H. Sumser, T. Horren, D. Goulson, and H. de Kroon. 2017. More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas. Plos One 12.

Hölker, F., T. Moss, B. Griefahn, W. Kloas, C. C. Voigt, D. Henckel, A. Hänel, P. M. Kappeler, S. Völker, A. Schwope, S. Franke, D. Uhrlandt, J. Fischer, R. Klenke, C. Wolter, and K. Tockner. 2010. The dark side of light – a transdisciplinary research agenda for light pollution policy. Ecology and Society 15:13.

Knop, E., L. Zoller, R. Ryser, C. G. Erpe, M. Horler, and C. Fontaine. 2017. Artificial light at night as a new threat to pollination. Nature 548:206.