Gefährdete lignicole Pilze: Wie kann man sie erhalten?

Oscar Röllin, Claude Boujon, Jean-Jacques Roth, Colette Perret-Gentil, Emmanuelle Favre, Bertrand von Arx

Ausgangssituation und Ziele

Pluteus aurantiorugosus (Trog.) Sacc., ein geschützter und gefährdeter Pilz, ist im Oktober 2014 spontan auf einem morschen Pappelstamm gewachsen, der entlang eines Waldweges auf feuchtem Boden lag (Abb. 1). Man kam dann auf die Idee, weitere Stämme von Bäumen, die im Kanton Genf gefällt wurden, in der Nähe zu positionieren, um zu versuchen, für diese Art und andere gefährdete lignicole Pilze mögliche zukünftige Biotope zu schaffen, da alte tote Bäume, vor allem Laubbäume, in unseren Wäldern fehlen (Senn-Irlet et al. 2007). 74 Baumstämme, grösstenteils Pappeln und Eichen, aber auch drei Kastanienbäume und eine Weide, teilweise mit einem Durchmesser von über einem Meter wurden auf beiden Seiten des Weges positioniert (Abb. 2). Durch die Baumstämme konnte auch das unerwünschte Parken von Autos entlang dieses Weges unterbunden werden. Im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen OCAN und SMG findet nun eine monatliche mykologische Überwachung der Pilzarten statt, die auf diesen Stämmen wachsen.

Abb. 1: Pluteus aurantiorugosus (Trog.) Sacc., ein geschützter und gefährdeter Pilz, der spontan auf einem morschen Pappelstamm gewachsen ist, der entlang eines Waldweges lag. (Foto: Claude Boujon, SMG).

Abb. 2: Vierundsiebzig Baumstämme, grösstenteils Pappeln und Eichen, aber auch drei Kastanienbäume und eine Weide wurden auf beiden Seiten eines Waldweges auf feuchtem Boden positioniert, um zu versuchen, für gefährdete lignicole Pilze mögliche zukünftige Biotope zu schaffen. (Foto: Claude Boujon, SMG.)

Abb. 3: Spongipellis spumeus (Sow.: Fr.) Pat., ein gefährdeter Porling (Kategorie EN), der auf einem Pappelstamm mit grossem Durchmesser wächst. (Foto: Jean-Jacques Roth, SMG.)

Zwischenergebnisse
Ende 2017 wurden nach mehr als drei Jahren der Überwachung 86 Pilzarten verzeichnet. Viele davon wuchsen über mehrere Jahre, häufig in grosser Menge und an mehreren Stämmen gleichzeitig. Jedes Jahr kommen neue Arten zum Vorschein. Die erfassten gefährdeten Arten teilen sich auf folgende Kategorien der roten Liste auf (Senn-Irlet et al. 2005): CR 1 Art, EN, VU und NT 5 Arten in jeder dieser Kategorien (Abb. 3). Des Weiteren wurden 6 andere Arten gefunden, die in der Literatur als selten oder ziemlich selten gelten und nicht in der roten Liste erwähnt werden. Die Baumstämme haben also schon das Wachstum einer Vielzahl von Pilzarten ermöglicht, von denen 18,8 % auf der roten Liste stehen. Es ist geplant, die Zusammenarbeit und die Studie bis zum endgültigen Verfall der Baumstämme fortzusetzen. Danach wird eine Erneuerung stattfinden, um den Lebensraum der Arten zu gewährleisten. Die wissenschaftliche Überwachung muss jedoch noch festgelegt werden.

Finanzierung
Diese Massnahme wird zum Teil vom Kanton Genf und der Gemeinde Versoix finanziert. Der «Service du paysage et des forêts» des OCAN und die Gemeinde Versoix haben Laubbaumstämme mit grossem Durchmesser zur Verfügung gestellt, der «Service de la biodiversité» des OCAN unterstützt die «Société mycologique de Genève» finanziell bei der Überwachung und den zu erstellenden Berichten. An dieser Stelle sei die entscheidende Rolle der ehrenamtlichen Mitglieder der «Société mycologique de Genève» erwähnt, ohne die diese Überwachungen nicht durchgeführt werden könnten!

Tipps für Kantone, die Massnahmen dieser Art umsetzen möchten
Es sollten Baumstämme oder Stücke von Stämmen kürzlich geschlagener Laubbäume mit einem Durchmesser von mehr als 50 cm bevorzugt werden. Die (gekennzeichneten) Stämme sollten auf feuchtem, nicht von der Sonne ausgetrocknetem Boden platziert werden. Die Stellen sollten kartographisch erfasst werden.

Diese Massnahmen sollten zusammen mit der Gemeinde und den Förstern umgesetzt werden, damit bekannt ist, dass diese Baumstämme vorhanden sind und nicht bewegt werden dürfen (beziehungsweise nur sehr vorsichtig, wenn unbedingt nötig). Ist eine gemeinsame Umsetzung nicht möglich, sollten sie zumindest informiert werden. Das Einverständnis der Grundeigentümer ist einzuholen. Falls eine mykologische Überwachung gewünscht ist, sollte eine Zusammenarbeit mit erfahrenen Mykologen (Vereine für Pilzkunde) angestrebt werden.

Kontakt:
Emmanuelle Favre
Office cantonal de l’agriculture et de la nature
Rue des Battoirs 7
1205 Genève
022 388 55 39
emmanuelle.favre@etat.ge.ch

Bibliographie:
Senn-Irlet B., Bieri G., Egli S. (2007). Rote Liste Grosspilze. Rote Liste der gefährdeten Arten der Schweiz. BAFU und WSL, Bern.