Nassreisbau in der Schweiz: Produktion mit Artenförderung kombinieren

KATJA JACOT, YVONNE FABIAN, SIMON EGGER

Nassreis ist eine neue Kultur in der Schweiz, die besonders im Umfeld von Auenschutz- und Amphibienlaichgebieten ein bisher nicht genutztes Potenzial für die Artenförderung aufweist. Ziele des Projektes im Kanton Aargau waren, die bisherigen positiven Erfahrungen in der Artenförderung in Nassreisfeldern zu bestätigen und Lösungen für Herausforderungen im Anbau ohne Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu entwickeln.

Die Versuchsfläche im Kanton Aargau von 2019 wurde im Jahre 2020 auf rund 4.8 ha erweitert. Von einigen Arten, z.T. Rote Liste-Arten (u.a. Sumpfheidelibellen, Kreuzkröten, Laubfrösche) konnten sehr hohe Individuenzahlen beobachtet werden. Zudem dienten die Nassreisfelder vielen Arten aus der näheren- (z.B. Ringelnatter) und weiteren Umgebung (verschiedene Brutvogelarten wie Flussuferläufer und Flussregenpfeifer) als Gebiet zur Nahrungsaufnahme und Rast.

In allen Nassreisfeldern etablierten sich die Reispflanzen nach der Saat im Mai gut und Ende Oktober konnte der Reis geerntet und sehr erfolgreich vermarktet werden. Der Rohreis-Ertrag bei der Sorte Loto und im Direktsaatverfahren lag im Kanton Aargau im Durchschnitt bei 4.9 t/ha.

Der Anbau, insbesondere die Hirseunterdrückung, soll in Zukunft weiter optimiert werden, um Kosten zu sparen. Es stellen sich noch zahlreiche anbautechnische Fragen zum Nassreisanbau wie zum Beispiel die Wirtschaftlichkeit, die Sortenwahl (frühreife Sorten) oder die Düngung, welche auch für die zu fördernden Organismen unschädlich sein sollte. Ebenfalls ungeklärt ist die Klimawirkung (Methan) und die langfristigen Wirkungen auf die Bodenfruchtbarkeit. Angestrebt wird nicht die Einführung einer weiteren, intensiv geführten Ackerbaukultur, sondern ein ökologischer Nassreisanbau zur Förderung der Biodiversität in der Agrarlandschaft.

Ausgangslage
Im Schweizer-Mittelland kommen verbreitet Böden vor, die ohne kulturtechnische Massnahmen regelmässig vernässen (Szerencsits et al., 2018). Sie befinden sich in ehemaligen Moorlandschaften, in Gebieten mit häufig hohen Grundwasserständen oder es sind Böden, die natürliche Stauschichten aufweisen oder anthropogen verdichtet wurden. Eine kürzlich ausgearbeitete Karte zeigt die potentielle Verbreitung vernässender Flächen im offenen Kulturland Schweiz weit auf (Szerencsits et al., 2018). Heute ist ein grosser Teil der vernässenden Böden durch Gewässerkorrekturen oder Drainagesysteme trockengelegt und eine intensive Produktion von Gemüse und anderen Ackerfrüchten ist möglich. Es wird geschätzt, dass momentan ein Drittel der Drainagen (entspricht ca. 68’400 ha) in schlechtem oder unbekanntem Zustand sind (Beguin und Smola 2010). Weiter gingen durch die breitflächige Entwässerung in der Landwirtschaft wertvolle Habitate für Nässe liebende Tier- und Pflanzenarten verloren.

Eine Möglichkeit den Bodenschwund auf organischen Böden zu reduzieren, Nischen-Habitate für gefährdete Tier- und Pflanzenarten zu schaffen und gleichzeitig eine landwirtschaftlich rentable Produktion aufrecht zu erhalten, wäre ein ökologischer Reisanbau auf temporär vernässten Flächen. Dabei ist der Anbau sowohl auf organischen wie auch auf schwierig entwässerbaren mineralischen Böden, die durch Nässeschäden regelmässig Ernteausfälle aufweisen, denkbar. Seit 2017 finden zusammen mit innovativen Landwirten Versuche zum Nassreisanbau in der Schweiz statt. Im Jahre 2020 wurde insgesamt auf 9 Parzellen Nassreis angebaut.

Zielsetzungen
Beim Projekt im Kanton Aargau geht es darum, die Artenförderung, integriert in ein innovatives Produktionssystem zu testen, die bisherigen positiven Erfahrungen zu bestätigen und das Produktionssystems Nassreis ohne Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Schweizer Mittelland weiter zu entwickeln.

Material und Methoden
Das Reisfeld der Max Schwarz AG im Wasserschloss bei Brugg umfasste im ersten Versuchsjahr (2019) 1.2 ha und liegt in unmittelbarer Nähe des Auengebiets von nationaler Bedeutung «Wasserschloss Brugg-Stilli» im Uferbereich der Aare. Im Jahre 2020 wurde die Fläche verdoppelt. Die Versuchsfläche von 2019 wurde im Jahre 2020 auf rund 4.8 ha erweitert und es kamen drei Felder in Untersiggenthal und Würenlingen dazu.

Beim Nassreisanbau wird die Anbaufläche planiert und mit Wasser geflutet. Die Aussaat bzw. Auspflanzung des Reises erfolgt ca. Ende April/Anfang Mai. Es werden keinerlei synthetischen Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Fünf bis sechs Wochen vor der Ernte wird kein Wasser mehr in die Reisflächen gepumpt. Ende Oktober wurde der Reis mit einem Mähdrescher geerntet. Anschliessend wurde der gesamte Reis bei einer Mühle grob gereinigt, getrocknet, geschält und verkaufsfertig geschliffen. Die Libellen-, Laufkäfer-, Amphibien- und Vogelaufnahmen wurden an fünf Begehungen (jeweils Mitte Mai, Juni, Juli, August, September) durchgeführt.  Die Dauer eines Rundgangs betrug 30-60 min, je nach Grösse des Feldes. Alle Pflanzenarten (Gefässpflanzen) wurden entlang von drei Transekten innerhalb des Reisfeldes und ausserhalb in den direkt angrenzenden Randstrukturen Ende Juni, Juli und Anfang September aufgenommen.

Ergebnisse und Diskussion
Die häufigsten Amphibien waren die Wasserfroscharten: Wasserfrosch (Pelophylax esculentus) und Seefrosch (Pelophylax ridibundus) mit mehreren hundert adulten Individuen pro Hektar Nassreisfläche und tausenden Kaulquappen. Im Wasserschloss wurden hunderte Laubfroschlarven (Abbildung 1) und voll entwickelte Juvenile Laubfrösche (Hyla arborea) entdeckt und selbst ein singendes Gelbbauchunken Männchen (Bombina variegata) wurde gehört. In Würenlingen in den schmalen Wassergräben haben sich trotz des häufigen Trockenfallens des Nassreisfeldes noch hunderte Juvenile der Kreuzkröte (Bufo calamita) entwickeln können. Kreuzkröte, Laubfrosch (Abbildung 1), sowie Geldbbauchunke erscheinen auf der Roten Liste als gefährdet (EN) und sind UZL- Zielarten (Z).

Abbildung 1: Amphibienarten in den Nassreisfeldern im Aargau mit Rote Liste und UZL-Status mit Leitart (L), oder Zielart (Z). A) Kreuzkröte (Bufo calamita) EN & Z in Würenlingen; B) Laubfrosch (Hyla arborea) EN & Z im Brugg. Fotos: Yvonne Fabian und Diana Walter.

In allen 2019 und 2020 besuchten Gebieten wurden insgesamt 42 der insgesamt 79 vorkommenden Libellenarten in der Schweiz gefunden. Die Häufigkeit der Libellen und die Anzahl der angetroffenen Arten variierte während des Jahres stark. Die häufigsten Arten waren Ischnura elegans, I. pumilio, Anax ephippiger (im Jahr 2019) und Sympetrum fonscolombii (Abbildung 2). Vier Arten, Ceriagrion tenellum (stark gefährdet, EN), Gomphus pulchellus (verletzlich, VU), Sympetrum depressiusculum (verletzlich, VU) und S. pedemontanum (stark gefährdet, EN), stehen auf der nationalen Roten Liste. Drei weitere Arten – Coenagrion pulchellum, Erythromma lindenii und Orthetrum albistylum – gelten als „potenziell gefährdet“ (NT) (Info fauna 2020).

Abbildung 2: Libellen Abundanz der häufigsten Arten und Artengruppen (Balken, Primäre Y-Achse) und Artenzahl (rote Punkte, Sekundäre Y-Achse) in 2019 und 2020.

In den Reisfeldern (inkl. Feldrand) im Kanton AG wurden je nach Reisfeld 85 bis 97 Pflanzenarten beobachtet (Rutz, in Vorbereitung; Gramlich et al, 2020), wobei im Feldrand doppelt so viele Arten wie im Reisfeld gefunden wurden. Von den insgesamt 14 in den Reisfeldern der Schweiz (mit Rand) beobachteten RL Arten wurden 9 im Kanton AG gefunden. Sehr erfreulich war, dass der sehr seltene Ysoppblättrige Weiderich, Lythrum hyssopifolia (CR), im Reisfeld in Würenlingen beobachtet werden konnte.

In allen Feldern etablierten sich die Reispflanzen nach der Saat im Mai gut und Ende Oktober konnte der Reis geerntet und sehr erfolgreich vermarktet werden (Abbildung 3). Der Rohreis-Ertrag bei der Sorte Loto und im Direktsaatverfahren lag im Kanton Aargau im Durchschnitt bei 4.9 t/ha.

Abbildung 3. Nassreisfeld mit Wassergraben im August, Brugg 2020. Foto: Ernst Weiss.

In beiden Versuchsjahren wurden sehr viele Stunden in die Hirsebekämpfung investiert. Erfahrungen zeigen das Potential, die Hühnerhirse mit einem 10-15cm hohen Wasserstand reduzieren zu können. Dies konnte in den Feldern mit Direktsaat im Kanton Aargau nicht bestätigt werden, da in allen der Wasserpegel während der Vegetationszeit sehr tief (0.2-3cm) war. Sehr schön hingegen war die Wirkung des deutlich höheren Wasserstandes im Setzlingsanbau zu beobachten, wo die Hühnerhirse zu einem grossen Teil unterdrückt werden konnte.

Fazit
Die Erfahrungen im Kanton Aargau und in den zusätzlichen Nassreisfeldern in der Schweiz haben gezeigt, dass der Reis erfolgreich geerntet und vermarktet werden kann. Für die Biodiversitätsförderung sind Flächen, die in der Nähe von Feuchtgebieten gelegen sind oder die als Trittsteine zur Vernetzung von Feuchtgebieten dienen können, wertvoll. Trotzdem können auch Nassreisfelder in sonst relativ ausgeräumten Landschaften von grossem ökologischem Nutzen für feuchteliebende Arten sein, so wie das Beispiel in Würenlingen zeigte. Der Wassergraben sollte zur Förderung der Biodiversität Anfang März gefüllt werden und bis Ende August permanent Wasser führen. Im Wasserschloss konnten unter anderem deshalb der Laubfrosch laichen und sich etablieren. Obwohl schon bisher viele Tiere und Pflanzen in den Nassreisfeldern beobachtet werden konnten, besteht weiteres Verbesserungspotential zur Förderung und Erhaltung der Flora und Fauna. So wird das Anlegen von weiteren Stein- und Asthaufen und ungemähten Randstrukturen wie Säumen und Buntbrachen angestrebt. Es stellen sich noch zahlreiche anbautechnische Fragen zum Nassreisanbau wie zum Beispiel die Wirtschaftlichkeit, die Sortenwahl (frühreife Sorten) oder die Düngung, welche auch für die zu fördernden Organismen unschädlich ist. Ebenfalls ungeklärt ist die Klimawirkung (Methan) und die langfristigen Wirkungen auf die Bodenfruchtbarkeit. Angestrebt wird nicht die Einführung einer weiteren, intensiv geführten Ackerbaukultur, sondern ein ökologischer Nassreisanbau zur Förderung der Biodiversität in der Agrarlandschaft.

Projektverantwortung
Yvonne Fabian
Reckenholzstrasse 191, CH-8046 Zürich
+41 58 481 93 66
Yvonne.fabian@agroscope.admin.ch

Partner
Landwirte, IG Nassreis, HAFL, KARCH, Vogelwarte Wallis

Finanzierung
Die Versuche im Jahre 2019 und 2020 im Kanton Aargau konnten dank der finanziellen Unterstützung vom Kanton AG (Departement Bau, Verkehr und Umwelt, Abteilung Landschaft und Gewässer) und dem BAFU (Bern) realisiert werden. Diesen Partnern danken wir ganz herzlich.

Weiterführende Literatur
Béguin, J. and S. Smola (2010). Stand der Drainagen in der Schweiz – Bilanz der Umfrage 2008. Bern, Switzerland, Schweizerische Eidgenossenschaft, Bundesamt für Landwirtschaft (BLW)

Gramlich A., Churko G., Jacot Ammann K., Walter T. Biodiversität auf Nassreisfeldern im Schweizer Mittelland: Gefährdete Arten finden neuen Lebensraum. Agroscope Transfer, 332, 2020, 1-15

Info fauna (2020) Kartoserver. https://lepus.unine.ch/carto/index.php Letzter Zugriff 20.10.2020

Szerencsits E., Prasuhn V., Churko G., Herzog F., Utiger C., Zihlmann U., Walter T., Gramlich A. Karte potentieller Feucht-(Acker-)Flächen in der Schweiz.
Agroscope Science, 72, 2018, 1-68