Flexibler Schnitt auf BFF-Wiesen

ANINA HOLD, JEAN-YVES HUMBERT, SILVIA ZINGG

Die Homogenisierung von intensiv genutzten landwirtschaftlichen Gebieten hat dazu beigetragen, dass die Artenvielfalt gerade im Kulturland in den vergangenen Jahrzehnten einen starken Rückgang erlitten hat. Nicht nur die Lebensraum-, sondern auch die Nutzungsvielfalt hat abgenommen. So werden beispielsweise in der Talzone, viele extensiv genutzte Wiesen am «Nationalen Heutag», dem 15. Juni, gleichzeitig geschnitten. Für viele Arten bedeutet dies, dass sie regional einen grossen Teil ihres Lebensraums auf einen Schlag verlieren. Ob und wie die Einführung des flexiblen Schnittzeitpunktes auf Biodiversitätsförderflächen (BFF) dieser Tendenz entgegenwirkt, wird anhand dieser Fallstudie aus dem Kanton Bern aufgezeigt.

In vielen Kantonen wurde in den letzten Jahren im Rahmen von Vernetzungsprojekten eine flexible Schnittvariante für Biodiversitätsförderflächen (BFF) eingeführt, bei der das Datum der ersten Mahd frei gewählt werden kann. Ein flexibler erster Schnitttermin kann vermeiden, dass die meisten Wiesen bei günstigem Wetter am erstmöglichen Datum geschnitten werden. Ein Mosaik aus geschnittenen und ungeschnittenen Wiesen würde die Heterogenität in der Landschaft und somit die Biodiversität fördern (Fischer et al. 2015). Aus Sicht der Landwirt*innen hat ein flexibler Schnitt mehrere Vorteile, insbesondere wird es möglich den Schnittzeitpunkt an lokale Wetter- und Klimaverhältnisse anzupassen. Die grössere Flexibilität erlaubt es zudem, gewisse Problempflanzen gezielt zu bekämpfen und somit die Futterqualität zu erhalten.
Studien haben gezeigt, dass das Schnittregime auf extensiven Wiesen einen grossen Einfluss auf die dort vorkommende Fauna hat (Humbert et al. 2018). Nebst der Schnitthöhe und dem verwendeten Mähwerk spielt insbesondere auch der Zeitpunkt des ersten Schnittes eine grosse Rolle. Ein früher Schnitt zerstört beispielsweise die Nester von Bodenbrütern und hat negative Auswirkungen auf spät fliegende Tagfalter (Walter et al. 2007). Schließlich wird auch die Vegetation durch das Schnittregime beeinflusst; ein Schnitt vor der Samenbildung kann bestimmte Pflanzen beeinträchtigen und langfristig die botanische Zusammensetzung verändern. Obwohl der flexible Schnitt auf BFF Wiesen seit einiger Zeit zugelassen ist, fehlen bisher Studien zu dessen Umsetzung in der Praxis. Es ist unklar, ob es zu einer generellen Vorverschiebung des ersten Schnittes kommt, wie die unterschiedlichen Schnittregime in der Landschaft verteilt sind und welche Auswirkungen es auf die ökologische Qualität der Wiesen hat.
Im Rahmen einer Masterarbeit wurden landwirtschaftliche Daten des Kantons Bern analysiert und mit Angaben aus einer bei Landwirt*innen durchgeführten Umfrage ergänzt (Hold 2021). Ziel war es, herauszufinden, wie der «flexible Schnitt» ­umgesetzt wird und ob dieser das ge-wünschte Mosaik von gemähten und ungemähten Wiesen in den Landschaften schafft.

Mehr Heterogenität auf Landschaftsebene
Im Kanton Bern wurden im Jahr 2020 46 % der BFF Wiesen in der Tal- und Hügelzone, 43 % in der Bergzone I & II und 18 % in der Bergzone III & IV mit dem flexiblen Schnitt bewirtschaftet. Insgesamt waren extensiv und wenig intensiv genutzte Wiesen, welche mit dem flexiblen oder dem Standardschnitt bewirtschaftet wurden, auf einer grösseren Skala zufällig in der Landschaft verteilt (Abb. 1). Wiesen, welche nahe beieinander liegen (100 – 300 m) wurden jedoch häufiger mit derselben Schnittvariante bewirtschaftet, was darauf zurückzuführen ist, dass Landwirt*innen benachbarte Wiesen oft ähnlich bewirtschaften und zur gleichen Zeit mähen.

Abb. 1: Kulturlandschaft im Kanton Bern mit BFF Wiesen mit Standardschnitt (grün) und mit flexiblem Schnitt (gelb).

Heterogenität auf Betriebsebene
Die Mehrheit der Landwirtschaftlichen Betriebe (77 %) bewirtschaften alle ihre BFF Wiesen mit nur einem Schnittregime; entweder nur mit dem flexiblen Schnitt oder nur mit der Standardvariante. Durchschnittlich wurden alle BFF Wiesen eines Betriebes, welche nur eine Schnittvariante nutzen, innerhalb von wenigen Tagen geschnitten (Abb. 2): so werden alle BFF Wiesen eines Betriebes mit ausschliesslich flexiblem Schnitt innerhalb von 8.5 Tagen geschnitten, auf einem Standardschnitt-Betrieb innerhalb von 2.7 Tagen (Mittelwerte für die Tal- und Hügelzone in den Jahren 2018 – 2020). Bei allen Betrieben mit nur einem Schnittregime, weisen jene Betriebe mit dem flexiblen Schnitt eine grössere zeitliche Streuung auf. Bei Landwirt*innen, welche beide Schnittvarianten umsetzten, ist die Variation und somit der Zeitintervall grösser: durchschnittlich liegen 14 – 24 Tage zwischen dem frühsten und dem spätesten ersten Schnitt auf ihren BFF Wiesen.

Abb. 2: Variation des ersten Schnitttermins auf den Landwirtschaftsbetrieben in den verschiedenen Landwirtschaftszonen. Die Angaben zu den Schnittzeitpunkten stammen direkt von den Betriebsleitenden; n=Anzahl der Betriebe.

Generelle Vorverschiebung des ersten Schnittes
Die durchgeführte Umfrage hat gezeigt, dass Wiesen mit flexiblem Schnitt oft früher gemäht wurden als BFF mit Standardschnitt (Abb. 3). Der erste Schnitt, war durchschnittlich, 5.8 Tage vor dem offiziellen Schnittdatum in der Tal-/Hügelzone, 13.9 Tage in der Bergzone I & II und 7.9 Tage in der Bergzone III & IV. Insbesondere in der Tal-/Hügelzone wurden jedoch trotz Registration unter flexiblem Schnitt viele Wiesen (mehr als die Hälfte) erst am, oder nach dem offiziellen Schnittdatum dem 15. Juni gemäht. Auf kantonaler Ebene führt die Kombination von Standardvariante und flexiblem Schnitt zu einer grösseren Streuung der Schnitttermine.

Abb. 3: Datum des ersten Schnittes auf BFF Wiesen unter den verschiedenen Schnittregimen (grün = Standard, gelb = flexibel) in den Jahren 2018, 2019 und 2020. Unter Standardschnitt ist die Nutzung in der Tal-/Hügelzone erlaubt ab dem 15. Juni, in der Bergzone I & II ab dem 1. Juli und in der Bergzone III & IV ab dem 15. Juli.

Geringere ökologische Qualität in den Bergzonen
Eine hohe botanische Vielfalt (Qualitätsstufe Q2) widerspiegelt die ökologische Qualität der extensiven und wenig intensiven Wiesen und berechtig die Bewirtschaftenden zum Bezug höherer Direktzahlungen. Im Jahr 2020 gab es in den Berggebieten des Kantons Bern weniger Q2-Flächen auf Wiesen mit flexiblem Schnitt als auf Wiesen mit Standardschnitt. Ein ähnlicher Trend war erkennbar, wenn analysiert wurde welche BFF Wiesen über die Jahre von Q1 auf die höhere Qualitätsstufe Q2 wechseln konnten. Die Agrardaten des Kantons Bern der Jahre 2012 bis 2020 zeigten, dass in den Bergzonen mehr extensive Wiesen mit dem Standardschnitt die Qualitätsstufe wechselten als Wiesenflächen mit flexiblem Schnitt. In der Tal- und Hügelzone und auf wenig intensiv genutzten Wiesen wiederum gab es keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den beiden Schnittvarianten und der ökologischen Qualität (Abb. 4). Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass aus diesen Beobachtungen keine Schlussfolgerungen über kausale Zusammenhänge gemacht werden können.
In der Tal- und Hügelzone gab es keine signifikanten Unterschiede in der Anzahl Nutzungen zwischen Wiesen mit dem flexiblen und dem Standardschnitt. In den Bergzonen I & II wurden BFF Wiesen mit flexiblem Schnitt jedoch nicht nur früher, sondern auch öfter genutzt. Die Anzahl Nutzungen ist ein wichtiger Indikator für die Bewirtschaftungsintensität einer Wiese und in der Regel negativ korreliert mit ihrer ökologischen Qualität und Biodiversität.

Abb. 4: Relativer Anteil der Wiesenflächen mit Qualitätsstufe Q1 (hellgrau) und Q2 (dunkelgrau) auf extensiv genutzten Wiesen (EXWI) und wenig intensiv genutzten Wiesen (WIGW) im Jahr 2020. In den Bergzonen zeigt sich, dass extensive Wiesen (EXWI) mit flexiblem Schnitt eine geringere ökologische Qualität aufweisen (Quelle: GELAN 2020).

Fazit
Auf Biodiversitätsförderflächen, die mit dem flexiblen Schnitt bewirtschaftet werden, findet der erste Schnitt im Durchschnitt 11 bis 19 Tage früher statt als auf Wiesen mit Standardschnitt. Die Variation und Verschiebung ist hierbei in den Bergzonen ausgeprägter als in der Tal- und Hügelzone. Das aus ökologischer Sicht gewünschte Mosaik aus geschnittenen und ungeschnittenen Flächen findet sich insbesondere auf Landschaftsebenen. Auf Betriebsebene jedoch werden benachbarte BFF Wiesen häufig auf ähnliche Weise bewirtschaftet. Um eine gewisse Heterogenität auf Ebene Betrieb zu gewährleiten, sollten gewisse Einschränkungen gelten, bspw. dass maximal die Hälfte der BFF Flächen flexibel geschnitten werden können, oder dass ein Nutzungsintervall zwischen benachbarten Flächen festgelegt wird.

In den BFF Wiesen mit flexiblem Schnitt im Kanton Bern muss bei jedem Schnitt ein Altgrasstreifen von 10 % der Fläche belassen werden. Diese ungemähten Refugien schaffen eine gewisse Heterogenität auf Ebene der Parzelle und mildern die negativen Auswirkungen eines frühen Schnittes auf die Fauna erheblich (Humbert et al. 2018). Sollte die Zahl der BFF Wiesen mit flexiblem Schnitt zunehmen, könnte es sinnvoll sein den vorgeschriebenen Anteil des Rückzugstreifens zu erhöhen.
Obwohl allein aufgrund dieser Studie nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, dass der flexible Schnitt negative Auswirkungen auf die Biodiversität von extensiv und wenig intensiv genutzten Wiesen hat, beobachten wir in den Berggebieten, dass die mit der flexiblen Variante bewirtschafteten BFF-Wiesen eine geringere botanische Qualität aufweisen und häufiger geschnitten werden. Zudem wirkt sich ein früherer Schnitt, gemäss Literatur, negativ auf die Biodiversität von Wiesen aus (Humbert et al. 2012), weshalb es wichtig ist, die Anzahl der früh gemähten BFF zu begrenzen.

Weitere Informationen finden sich in der Masterarbeit von Hold (2021).

Kontakt
Silvia Zingg
Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, 3052 Zollikofen
E-Mail: silvia.zingg@bfh.ch

Jean-Yves Humbert
Institut für Ökologie und Evolution, Naturschutzbiologie, Universität Bern, Baltzerstrasse 6, 3012 Bern
E-Mail: jean-yves.humbert@iee.unibe.ch

Literatur

  • Fischer, M., C. Lambelet-Haueter, P. Moeschler, C. Praz, E. A. D. Mitchell, and Y. Gonseth. 2015. Zustand der Biodiversität in der Schweiz 2014.
  • Hold, A. 2021. Effects of a flexible first mowing date on the biodiversity of extensively managed meadows – a case study from canton Bern, Switzerland. Msc Thesis, Ecology and Evolution ETH Zürich, HAFL Zollikofen, Universität Bern.
  • Humbert, J., P. Buri, D. Unternährer, and R. Arlettaz. 2018. Alternative Mähregimes zur Förderung der Artenvielfalt von Wiesen. Agrarforschung Schweiz 9:314–321.
  • Humbert, J.-Y., J. Pellet, P. Buri, and R. Arlettaz. 2012. Does delaying the first mowing date benefit biodiversity in meadowland? Environmental Evidence 1:1:9.
  • Walter, T., K. Schneider, and Y. Gonseth. 2007. Schnittzeitpunkt in Ökowiesen: Einfluss auf die fauna. Agroscope, CSCF, Zürich, Neuchâtel.