NINA RICHNER, ZOË BELLWALD, CONNY, THIEL-EGENTER, GORAN DUŠEJ, MICHAEL GEHRIG, SEVERIN DIETSCHI
Im Kanton Zug werden für die Umsetzung der optimalen Pflege und Bewirtschaftung der Naturschutzgebiete neben naturschutzfachlichen Zielvorgaben auch Hinweise und Bedürfnisse der landwirtschaftlichen Praxis in die Pflegekonzepte aufgenommen. Dank dieser Teil-Partizipation der Bewirtschaftenden wird die Akzeptanz den Pflegeplan umzusetzen gesteigert.
Pflegepläne sollen den qualitativen Wert von Schutzgebieten sichern
Es liegt in den Händen der Kantone, die letzten Refugien für seltene Arten und fragile Ökosysteme vor dem Verschwinden zu bewahren. Neben dem rechtlichen Schutz müssen Naturschutzgebiete in ihrer Qualität erhalten oder verbessert werden. Dies geschieht wesentlich durch eine angepasste Bewirtschaftung der Flächen, welche oft in Pflegeplänen festgelegt wird. Spezifische Pflegepläne treffen Aussagen über die optimale Bewirtschaftung der Flächen und allenfalls über mögliche Aufwertungsmassnahmen. Bei der Erarbeitung von Pflegeplänen wird üblicherweise auf die vorkommenden Lebensräume geachtet. Häufig werden dabei weder die – teilweise diametral entgegengerichteten – Ansprüche von Tier- und Pflanzenarten, noch die Umsetzbarkeit in der Landwirtschaft berücksichtigt. Der Kanton Zug setzt für diesen Spagat zwischen naturschutzfachlichen Ansprüchen und Praxistauglichkeit auf eine Arbeitsgruppe bestehend aus Arten- und Lebensraumspezialistinnen sowie agrarökologischen Beratern. Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit sorgt dafür, dass neben den Bedürfnissen der Vegetation sowohl die der Zielarten als auch die praktischen Anforderungen der Landwirtinnen und Landwirte berücksichtigt werden.
Streuenutzung: Früher und heute
Die meisten Naturschutzgebiete im Kanton Zug zählen zu den Feuchtlebensräumen und bestehen aus Flach-, Hoch- oder Übergangsmooren. Früher, bis in die 1980er Jahre, wurden diese Moorflächen zu unterschiedlichen Zeitpunkten zwischen August und November genutzt, immer dann, wenn Wetter und Betrieb es zuliessen. Häufig wurden die Flächen gestaffelt gemäht, da nicht die gesamte Streue aufs Mal benötigt wurde. Gewisse Bereiche wurden auch ganzjährig stehen gelassen. Dadurch wurde ein räumlich-zeitliches
Nutzungsmosaik geschaffen. Seit Mitte der 1990er Jahren werden die meisten Naturschutzgebiete extensiv als Streueflächen oder als Heuwiesen genutzt und zum Standard-Schnittzeitpunkt Anfangs September gemäht. Der Grossteil der Streueflächen wird demzufolge zum selben Zeitpunkt geschnitten. Diese homogene Nutzung wird dem Mosaik an Lebensraumtypen nicht mehr gerecht. Vegetationsgesellschaften verarmen oder es treten Dominanzen auf, der Lebensraum spezialisierter Fauna-Arten schwindet.
Fördern Naturschutzbeiträge eine ökologisch wertvolle Bewirtschaftung?
Neben Direktzahlungsbeiträgen sollen Naturschutzbeiträge für eine differenzierte und vielfältige Bewirtschaftung der Naturschutzflächen sorgen. Insbesondere soll dadurch wieder ein räumlich-zeitliches Nutzungsmosaik geschaffen werden. Seit 2015 können die Bewirtschaftenden im Kanton Zug zusätzliche Massnahmen wie Mähbrachen, Spätschnitt oder schonende Mahd auf den Naturschutzflächen nach freier Wahl anmelden. Auf den ersten Blick war es erfreulich, dass die Programme grossen Anklang unter den Bewirtschaftenden gefunden haben. Aus naturschutzfachlicher Sicht sind solche zufällig ausgewählten Massnahmen jedoch nicht überall zielführend. Auf einem artenreichen Kleinseggenried mit zahlreichen Orchideen kann eine grossflächige Mähbrache oder ein Spätschnitt aus vegetationskundlicher Sicht problematisch sein. Bei Vorkommen des Lungenenzian-Ameisenbläulings und dessen Raupenfutterpflanze, dem Lungenenzian, ist dagegen eine späte Mahd wichtig. Eine Massnahme, die an einem Ort die Biodiversität fördert, kann anderswo unerwünscht sein. Solche Fehlanwendungen von Massnahmen können verhindert werden, indem parzellenscharfe Pflegevorschläge erarbeitet werden.
Methode der Pflegeplanerarbeitung im Kanton Zug
In einem ersten Schritt werden seit 2016 im Kanton Zug die biologischen, naturschutzfachlichen und Bewirtschaftungs-Grundlagen erarbeitet. Neben der Kartierung der Vegetationsgesellschaften und der Zielarten von Fauna und Flora werden bereits zu diesem Zeitpunkt mit den Bewirtschaftenden Gespräche zur Art der Bewirtschaftung geführt. Damit sollen die Bewirtschaftenden von Anfang an mit ihren Bedürfnissen und Bedenken abgeholt, und ins Projekt eingebunden werden. Während den Gesprächen kann ausserdem die landwirtschaftliche Machbarkeit der Massnahmen beurteilt werden. Dieses Vorgehen erhöht die Bereitschaft der Bewirtschaftenden die Vorschläge des Pflegeplans zukünftig umzusetzen. Nach der Grundlagenerarbeitung werden für jede Bewirtschaftungsfläche die Ansprüche der vorherrschenden Vegetationsgesellschaften und der vorkommenden Zielarten abgewogen, um die optimale Pflege vorzuschlagen. Dank der vorgängig bei den Bewirtschaftenden eingeholten Einschätzung, kann dabei ein Augenmerk auf die Praxistauglichkeit gelegt werden. Es ist wenig zielführend den Bewirtschaftenden Massnahmenvorschläge zu unterbreiten, die sie gar nicht umsetzen können oder wollen.
Einbinden der Bewirtschaftenden fördert die Akzeptanz
In einem letzten Schritt werden Landwirtinnen und Landwirte erneut kontaktiert, um die Vorschläge des Pflegeplans aufzugreifen. Das Wort «Vorschläge» muss hier besonders hervorgehoben werden. Die Entscheidungsfreiheit wird von den Bewirtschaftenden hochgeschätzt, denn sie zeigt, dass ihre Meinung zählt und sie in den Entscheidungsprozess eingebunden werden. Während den Verhandlungen wird aufgezeigt, was die Besonderheiten im jeweiligen Gebiet sind und wie die Tier- und Pflanzenwelt besser gefördert werden kann. Stimmen die Bewirtschaftenden den neuen Massnahmen (z.B. angepasste SZP) zu, erfolgen anschliessend Anpassungen der Naturschutzvereinbarungen.
„Das Vorgehen der Fachleute beim Pflegeplan im Eigenried war für uns Bewirtschafter sehr gut. Wir wurden von Anfang an eingebunden und konnten unsere Erfahrungen einbringen. Bei den Verhandlungen wurde aufgezeigt, welche Massnahmen der Natur nützen. Sofern die Vorschläge von der Bewirtschaftung und Abläufe machbar sind, konnte ich mich auf Anpassungen einlassen. Wichtig ist sicher, dass kein Druck auf uns ausgeübt wurde, sondern ein Gespräch auf Augenhöhe gesucht wurde.“
– Thomas Rust, Bewirtschafter von Flächen im Naturschutzgebiet Eigenried (Zugerberg, Walchwil)
Die Methode stärkt die Umsetzung des Pflegeplans
Der Einbezug der Bewirtschaftenden in die Erarbeitung der Pflegepläne ist übers Ganze gesehen ein voller Erfolg. Mit ihren Ideen und ihrem Wissen tragen die Bewirtschaftenden entscheidend dazu bei, dass die vorgeschlagenen Schnittzeitpunkte und Mähbrachen nicht nur auf dem Papier existieren, sondern in der Realität auch umgesetzt werden. Das Ergebnis spricht für sich: Zwischen 70 und 90 % der Massnahmenvorschläge werden tatsächlich umgesetzt. Die angemeldeten Schnittzeitpunkte decken sich im Schnitt zu 80 % mit den Vorschlägen der Pflegepläne, bei den Mähbrachen sind es sogar über 90 %. Einzig bei der Umsetzung einmaliger Massnahmen und regelmässiger Bewirtschaftungsauflagen, welche sich nicht in ein Programm packen lassen, bestehen noch Defizite. Für die Zielarten-Förderung sind diese Massnahmen sehr wichtig, und sollen in Zukunft noch besser vermittelt und deren Umsetzung begleitet werden. Aus den Erfahrungen der bisher umgesetzten Pflegepläne zeigt sich, dass die Bereitschaft neue Naturschutzvereinbarungen abzuschliessen höher ist, als die Bereitschaft ein bereits angemeldetes Programm wieder abzumelden. Dies ist nicht verwunderlich, da mit einer Neuanmeldung zusätzliche Beiträge ausgelöst werden, wohingegen eine Abmeldung mit einer Beitragssenkung einhergeht. Das Anmelden von Mähbrachen benötigt am wenigsten Überzeugungskraft. Fast alle Bewirtschaftenden sehen hier den ökologischen und den finanziellen Nutzen. Während ein Spätschnitt Mitte September noch bei zwei Dritteln der Bewirtschaftenden auf Zustimmung stösst, wird es bei der Verschiebung des Streuschnitts vom 1.9 auf den 1.10. schwieriger. Nur knapp über die Hälfte ist bereit, diesen Spätschnitt umzusetzen. Quantitativ betrachtet kann die Methode der Erstellung von Pflegeplänen im Kanton Zug gute Erfolge erzielen. Der Ansatz bindet die Bewirtschaftenden frühzeitig ein und kommuniziert den Zustand der Moore und die Notwendigkeit von Massnahmen. So wird eine grosse Akzeptanz geschaffen, welche die Bewirtschaftenden zur Umsetzung auf ihren Flächen bewegt. Ob die Pflegeplanarbeiten auch qualitativ einen positiven Effekt auf die Moore haben, lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht beurteilen, da eine ökologische Erfolgskontrolle noch ausstehend ist. Obwohl noch unklar ist, wie sich die Massnahmen langfristig auf die Moore und die darin vorkommenden Zielarten auswirken, zeigt die hohe Akzeptanz der Bewirtschaftenden bereits jetzt, dass der gemeinsame Weg von Naturschutz und Landwirtschaft vielversprechend ist.
Kontakt:
Michael Gehrig, Amt für Raum und Verkehr Kanton Zug
E-Mail: michael.gehrig@zg.ch
Beteiligte Fachbüros
AGROFUTURA AG, Rotkreuz
FORNAT AG, Zürich
Büro für Faunistik, Rottenschwil