Hand in Hand für die Natur – Bund, Kantone und Pärke arbeiten gemeinsam am Aufbau einer Ökologischen Infrastruktur

SIMONE JAKOB1
REGULA OTT2
ERICA BAUMANN3

1Amt für Natur und Umwelt, Kt. Graubünden
2 Verein Bündner Pärke
3 Geschäftsstelle Netzwerk Schweizer Pärke

Zeit zum Handeln
Der weltweite Rückgang der Biodiversität in den vergangenen Jahren ist mehrfach wissenschaftlich belegt. Auch in der Schweiz präsentieren sich die Fakten nicht anders. Die aktuellen Programmvereinbarungen zwischen Bund und Kantonen sehen die Erstellung eines kantonalen Gesamtkonzepts zur Arten- und Lebensraumförderung sowie einer Vernetzungsplanung vor. Das Konzept beinhaltet also auch die konkrete Planung einer kantonalen Ökologischen Infrastruktur. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) stellt den Kantonen die nötigen Arbeitshilfen und Datengrundlagen zur Verfügung und fördert den Wissensaustausch. Damit die Umsetzung in den Regionen gelingt, muss die aktive Zusammenarbeit aller raumrelevanten Akteure frühzeitig und sektorübergreifend gefördert werden. Auch die Gemeinden sowie die Bevölkerung gehören in den Prozess miteinbezogen. Der Wissenstransfer und die Koordination der Arbeiten in den Regionen ist für das Gelingen dieser dringlichen Aufgabe von grosser Bedeutung.

Ökologische Infrastruktur in Schweizer Pärken
Eine Chance, Erfahrungen zu unterschiedlichen Herangehensweisen für die Umsetzung einer nationalen Ökologischen Infrastruktur zu sammeln, bot sich im Jahr 2014, als der Nationalrat die Aufstockung des Pärkekredits (Motion SR Imoberdorf 3.4181) befürwortete. Mit einem Teil der zusätzlich zur Verfügung stehenden Bundesmittel lancierte das BAFU das Pilotprojekt «Ökologische Infrastruktur in Pärken von nationaler Bedeutung» (N+L Inside 1/16, S. 14ff.). Die Voraussetzungen für die Realisierung des Projekts in den Pärken waren ideal, weisen diese doch eine reiche Biodiversität und einen hohen Anteil an wertvollen Flächen aus. Da die Pärke über alle Landesregionen verteilt sind, konnten viele ­unterschiedliche Lebensräume und Zielarten im Rahmen des Projekts abgedeckt werden. Als Vorteil erwies sich zudem, dass die Pärke in ihren Regionen fest verankert sind, über ein funktionierendes Management sowie viel Wissen über ihre Naturräume verfügen. Innert Kürze konnte das Pilotprojekt auf rund 10 % der Schweizer Landesfläche gestartet und schliesslich erfolgreich realisiert werden.
Die in der Pilotphase entwickelten Grundlagen und Konzepte dienen aktuell als Basis für die Umsetzungen von Massnahmen im Feld. Dank der Identifizierung des Handlungsbedarfs und den gesetzten Prioritäten sind in allen Pärken zahlreiche Projekte am Laufen. So werden ­Habitat-Bäume kartiert, Hecken und andere Kleinstrukturen angelegt, Trockenmauern saniert, Quelllebensräume und Biotope aufgewertet und Übersaatprojekte umgesetzt, sowie Konzepte weiterentwickelt.

Um den Wissenstransfer zwischen den Pärken, Kantonen, Bund, Verbänden und weiteren Akteuren auch weiterhin sicherzustellen und zu fördern, organisiert das Netzwerk Schweizer Pärke mit Unterstützung des BAFU regelmässig Erfahrungsaustauschtreffen. An den Treffen werden neben den Arbeiten aus den Pärken, auch andere interessante Projekte und Grundlagearbeiten vorgestellt und besprochen. Im Kanton Graubünden wurde dank dem Pilotprojekt «Ökologische Infrastruktur in Pärken» die Zusammenarbeit zwischen den Bündner Pärken und der kantonalen Verwaltung intensiviert und die Vertrauensbasis gestärkt, eine Entwicklung, die bis heute nachwirkt. Dank dieser Basis ergaben sich neue Möglichkeiten und es erleichterte die Zusammenarbeit der Akteure vor Ort.

Bündner Pärke und Amt für Natur und Umwelt gehen voran
Der Grundstein für das Zusammenwirken von Kanton und Pärken wurde bei der Eingabe des Pilotprojekts gelegt. Diese erfolgte gemeinsam durch das Amt für Natur und Umwelt (ANU) und die drei Regionalen Naturpärke – Parc Ela, Naturpark Beverin und die Biosfera Val Müstair. Um die Zusammenarbeit zu regeln und zu fördern, wurde eine Steuerungsgruppe gebildet. Die Gesamtleitung des Projekts oblag Simone Jakob vom ANU. Die Vertreterinnen und Vertreter der Pärke nahmen als gleichberechtigte Mitglieder ­Einsitz in der Gruppe. Die Fläche des Projektperimeters betrug 1‘160 km2 und das Gesamtbudget belief sich auf 1.52 Mio. Franken.

In einem ersten Schritt wurden die vorhandenen Grundlagen gesichtet sowie aktuelle Fragestellungen zur Ökologischen Infrastruktur aus den Parkregionen und den kantonalen Ämtern gesammelt. Diskussionen mit zahlreichen Akteuren in den Parkgebieten sowie mit Fachleuten aus der Verwaltung, den Pärken, privaten Büros und Organisationen im Rahmen von zwei Workshops boten eine solide fachliche Basis für die Vorgehensweise und stellten den Informationsfluss sicher. Die Wichtigkeit von Bildungs- und Sensibilisierungsmassnahmen ­wurde bereits bei der Projekteingabe berücksichtigt und mit entsprechenden Mitteln dotiert.

Für die Umsetzung wurde das Projekt in zwei Module aufgeteilt: Modul 1 fokussierte auf die Ermittlung des Ist-Zustands der Ökologischen Infrastruktur innerhalb der drei Parkperimeter. Ergänzend zu den gewonnenen Erkenntnissen wurden im Anschluss 17 Fokusthemen identifiziert, mit dem Ziel, Datenlücken möglichst rasch zu schliessen, konkrete Massnahmen zu formulieren und die nächsten Schritte zu priorisieren. In Anlehnung an die Fokusthemen wurden im Modul 2 in allen drei Pärken erste Bildungs- und Sensibilisierungsmassnahmen umgesetzt. Da viele der Fokusthemen im Schnittstellenbereich verschiedener kantonaler Ämter angesiedelt waren, war die Anzahl der am Projekt involvierten Fachstellen entsprechend gross: Amt für Wald und Naturgefahren, Amt für Jagd und Fischerei, Amt für Landwirtschaft und Geoinformation, landwirtschaftliches Bildungs- und Beratungszentrum Plantahof sowie das Bündner Naturmuseum. Daneben waren zahlreiche Fachpersonen und Organisationen am Projekt beteiligt, darunter der Schweizerische Nationalpark, das Forum Biodiversität Schweiz, aber auch die kantonalen Sektionen des WWF und Pro Natura. Von Seiten Pärke haben die Verantwortlichen der Bereiche Natur und Landschaft sowie Bildung mitgewirkt und den Austausch mit dem Parkmanagement und weiteren laufenden Parkprojekten sichergestellt. Der Verein Bündner Pärke unterstützte das Projekt administrativ.
Während der gesamten Umsetzungsphase wurden unterschiedliche Herangehensweisen ausgetestet, verglichen und validiert. Vorgehen, Methoden und Erkenntnisse sind in einem beim ANU erhältlichen Fachbericht dokumentiert.

Das Pilotprojekt Ökologische Infrastruktur bot während zwei Jahren eine geschätzte und gut genutzte Plattform für den fachlichen Austausch zum Thema Biodiversitätsförderung. Die ausserordentlich gute Zusammenarbeit wurde von verschiedenen Seiten begrüsst und das Interesse an der Präsentation der Schlussresultate war entsprechend gross.
Aktuell werden die erarbeiteten Grundlagen sowohl von den drei Pärken als auch von den kantonalen Fachstellen genutzt und weiterentwickelt. So wurden im Naturpark Beverin Trockenwiesen von nationaler Bedeutung mit umfangreichen Entbuschungsmassnahmen saniert und die weitere extensive Nutzung in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft sichergestellt. Mit Aufnahmen zu national ­prioritären Insektenarten konnte die ökologische Bedeutung dieser Flächen abermals unterstrichen werden. In einem ­weiteren Folgeprojekt wird am Schamserberg erprobt, in wie weit die Beweidung mit Engadiner Schafen der Verbuschung ökologisch wertvoller Weiden entgegenwirkt (Abb.1). Der Biotopverbund Albula ist bereits im dritten Umsetzungsjahr (Abb. 2) und die Artenhotspots am Südhang des Val Müstairs werden umfassend aufgewertet (Abb. 3). Das Feldlabor Alpine Biodiversität im Parc Ela wurde institutionalisiert (Abb. 4) und die Wanderausstellung zum Thema Bodenbrüter konnte den Zusammenhang zwischen traditioneller Bewirtschaftungsweisen und Biodiversität aufzeigen.

Abb. 1: Die Engadiner Schafe aus Andeer unterwegs im stark verbuschten Gelände (Foto: Sebastian Nagelmüller).
Abb. 2: Bau eines Weihers bei gefrorenem Boden bei Surava Oislas im Rahmen des Projekts „Biotopverbund Albula“ (Foto: Verein Parc Ela).
Abb. 3: Mit dem Feldlabor alpine Biodiversität bietet der Parc Ela Schülern die Möglichkeit, einen Einblick in die Artenvielfalt der Alpen zu erhalten und naturwissenschaftlich zu forschen (Foto: Annina Hahn).
Abb. 4: Eine stark eingewachsene Weide mit grosser Sturkturvielfalt im Val Müstair (Foto: Yves Schwyzer).

Aus Sicht der drei Bündner Pärke und des ANU ist das ÖI-Projekt eine Erfolgsgeschichte. Ein sehr wichtiges Thema wurde ins Zentrum gerückt und konnte mit breiter Beteiligung intensiv bearbeitet werden, die Rolle der Pärke zur Förderung der Ökologischen Infrastruktur wurde erkannt. Dank des Projekts wurde der Daten- und Wissensaustausch wie auch die fachliche Diskussion stark intensiviert. Man lernte sich persönlich aber auch die Arbeit des Gegenübers kennen. Diese gute Basis wirkt sich grundsätzlich positiv auf die Zusammenarbeit und die konkrete Umsetzung von Projekten aus. Fazit: Durch die regionale und lokale Verankerung der Pärke entsteht ein Mehrwert, von dem die Kantone direkt profitieren können.

Kontakt
Erica Baumann
Bereichsleitung Natur und Landschaft,
Produkte
Netzwerk Schweizer Pärke
Monbijoustrasse 61
3007 Bern
e-mail: e.baumann@parks.swiss

Beteiligte Institutionen
Amt für Wald u. Naturgefahren, Kt. GR
Naturpark Beverin (Lektorat: Sebastian Nagelmüller)
Parc Ela (Lektorat: Regina Lenz)
Biosfera Val Müstair (Lektorat: Yves Schweizer)
Geschäftsstelle Netzwerk Schweizer Pärke (Mitautorinnen: Dominique Weissen, Nadia Grether)
Bundesamt für Umwelt (Beteiligung: Simone Remund)

«Inwertsetzung Ökologische Infrastruktur in Pärken von nationaler Bedeutung»
2020 startete die Umsetzungsphase des Pilotprojekts «Inwertsetzung der Ökologische Infrastruktur». Das Projekt ist Teil des AP SBS. Die Gesamtkoordination liegt beim BAFU – Sektion Landschaftspolitik – und wurde für die Umsetzung in 3 Teilmassnahmen (TM) aufgeteilt.

Quellen