Kleinstrukturen für Wiesel und andere Bewohner unserer Kulturlandschaft

Zur Erhaltung der Biodiversität in der Schweiz muss auch dem Verlust an Kleinstrukturen in der Kulturlandschaft und den damit verbundenen negativen Folgen für zahlreiche Tiergruppen entgegengewirkt werden. Unsere Wiesel, also Hermelin und Mauswiesel, eignen sich besonders, um die Akzeptanz von Kleinstrukturen bei den Landwirten zu erhöhen. Gezielte Massnahmen im Rahmen von verschiedenen Wieselförderprojekten und in einem WIN-karch Pilotprojekt sollen Lebensräume im Offenland aufwerten und klein- wie grossräumig miteinander vernetzen. Dies wirkt sich positiv auf zahlreiche weitere Tierarten und auf das Landschaftsbild aus.

In der Schweiz wurden seit Jahrzehnten Landschaftselemente, die den Maschineneinsatz erschwerten, nach und nach ausgeräumt: Gehölze, Hecken, Ast- und Steinhaufen, topografische Unebenheiten, Feuchtstellen und Sümpfe. Damit sind genau diejenigen Strukturen verschwunden, auf die zahlreiche Tierarten angewiesen sind (Abbildung 1).

Dieses Hermelin schaut gut geschützt aus einem Steinhaufen (Bild: Adolf Durrer).
Abb. 1: Dieses Hermelin schaut gut geschützt aus einem Steinhaufen (Bild: Adolf Durrer).

Die Landwirtschaftspolitik 2014-2017 versucht zwar, der negativen Entwicklung in der Biodiversität entgegen zu wirken. Doch sind zusätzliche Massnahmen notwendig, um gezielt die Lebensräume verschiedener Tierarten mit den benötigten Strukturen aufzuwerten und vor allem miteinander zu vernetzen. Die bisherigen Bemühungen sind noch ungenügend. So sind etwa für die Anlage und Pflege von Kleinstrukturen, wie etwa Ast- und Steinhaufen, keine Biodiversitätsbeiträge vorgesehen. Deshalb können sie nur in Kombination mit anderen Massnahmen und unter speziellen Bedingungen finanziell entschädigt werden.

Abb. 2: Hermelin mit Beute (Foto: Hubert Trenkler).

Wiesel als „Türöffner“
Aus der Praxis weiss WIN Wieselnetz, dass Kleinstrukturen bei den Landwirten meistens auf Ablehnung stossen. Ihr Nutzen „für die Biodiversität“ ist für Bauern nur schwer fassbar. Um also Landwirte für die wertvollen Kleinstrukturen zu gewinnen können Wiesel als „Türöffner“ wirken. Sie haben sich auf die Jagd verschiedener Wühlmausarten spezialisiert (Abbildung 2), die sie vorwiegend unterirdisch in den Gängen aufstöbern, im Winter oft auch unter der Schneedecke. Wiesel sind also nutzbringend für die Landwirtschaft. Als kleine flinke Säugetiere sind sie auch Sympathieträger. Und Wiesel gelten als “Schirmart“ für viele weitere Arten, die ebenfalls eine strukturreiche, vernetzte Landschaft benötigen. Werden also Wiesel gezielt gefördert, profitieren unter diesem „Schirm“ gleichzeitig auch all diese anderen Arten. Mit einer Lebensraumaufwertung und -vernetzung für eine charismatische, nützliche und willkommene Art, können Bewirtschafter eher zur Mitarbeit bewegt werden als mit dem abstrakten Begriff „Biodiversität“.

 

Fördermassnahmen für Wiesel

Wer Wiesel mit den richtigen Massnahmen am geeigneten Ort fördern möchte, muss wissen, welche Lebensraumelemente diese Tiere brauchen:

  • Sehr wichtig ist eine genügende Anzahl von guten Verstecken in ihrem Streifgebiet, wohin sie sich zurückziehen und geschützt vor Fressfeinden sowie Regen und Kälte ruhen oder ihre Jungen aufziehen können. Wiesel sind zierliche Säugetiere und haben selbst viele natürliche Feinde – etwa Greifvögel, Graureiher und Füchse.
  • Die Verstecke sollten nahe oder direkt in ihren Jagdgebieten liegen, wo sie als effiziente Mäusejäger tätig sind. Gute Jagdgebiete sind beispielsweise Dauerwiesen oder -weiden.
  • Wenn sich Wiesel an der Erdoberfläche aufhalten, nutzen sie jede Deckungsmöglichkeit. Beträgt die Distanz zwischen Versteck und Jagdgebiet mehr als 20 Meter (Richtwert), so brauchen Wiesel unterwegs regelmässig Deckung, etwa in Hecken, Säumen oder ungemähten Restflächen.

 

Abb.3: Asthaufen in Altgrasstreifen (Foto: Agrofutura AG).

Schutz- und Nahrungsangebot müssen für Wiesel also nahe beieinander liegen. Im Offenland und Waldrandbereich kann dieses Angebot mit Ast- und Steinhaufen, Steinwällen, Natursteinmauern, Säumen, Brachen, Altgrasstreifen auf Wiesen, vielfältigen Hecken, Feld- und Ufergehölzen, Gräben, ungemähten Mähflächen und ähnlichen Strukturen geschaffen werden (Abbildung 3 und 4).

All diese Lebensraumelemente können eine ausgeräumte Landschaft sichtlich bereichern, aber nicht nur. Damit werden auch bereits wertvolle, aber noch voneinander isolierte Gebiete und Objekte besser miteinander verbunden und in die Landschaft integriert. Entscheidend ist, dass die realisierten Einzelmassnahmen in genügender Zahl, geeigneter Qualität und untereinander klein- und grossräumig vernetzt sind.

 

Abb. 4: Graben mit Bewuchs (Foto: Christina Boschi).
Abb. 4: Graben mit Bewuchs (Foto: Christina Boschi).

 

 

Das Grossprojekt „Wiesellandschaft Schweiz“

WIN Wieselnetz ist eine Stiftung zur Förderung von Kleinkarnivoren (siehe letzter Kapitel). In einer Reihe ausgewählter Populationsräume werden seit 2012 Fördermassnahmen für Wiesel umgesetzt, vor allem im Rahmen des WIN-Grossprojekts „Wiesellandschaft Schweiz“. Das übergeordnete Ziel ist hier, dass die Wieselbestände in der Schweiz auch unter ungünstigsten Bedingungen (z. B. geringem Nahrungsangebot) nie vollständig aussterben. Inzwischen hat WIN Wieselnetz dazu 11 Wieselförderprojekte in der NO-Schweiz initiiert (Abbildung 5). Gemeinsam bilden diese Gebiete für terrestrische Wildtiere eine zentrale Verbindungsachse durch das Schweizer Mittelland.

 

Abb. 7: Populationsräume der Wieselförderprojekte im Rahmen von "Wiesellandschaft Schweiz" (orange Flächen) und vom "WIN-karch Pilotprojekt" (rote Fläche). Zur Zeit laufen Förderprojekte in den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Bern, Luzern, Schaffhausen, Solothurn, Thurgau und Zürich.
Abb. 5: Populationsräume der Wieselförderprojekte im Rahmen von „Wiesellandschaft Schweiz“ (orange Flächen) und vom „WIN-karch Pilotprojekt“ (rote Fläche). Zur Zeit laufen Förderprojekte in den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Bern, Luzern, Schaffhausen, Solothurn, Thurgau und Zürich.

WIN Wieselnetz begleitet und koordiniert die einzelnen Projekte. Insbesondere legt es die Schwerpunktgebiete zur Wieselförderung aufgrund einer Populationsraumanalyse fest. Ferner sorgt es je nach Bedarf für die spezifische fachliche Beratung und die Qualitätskontrolle, für eine Erfolgskontrolle nach einem einheitlichen Konzept, für diverse Unterlagen und Informationen sowie für den Austausch von Daten, Ergebnissen und Erfahrungen zwischen den Wieselförderprojekten. Diese Arbeiten von WIN Wieselnetz werden vom Bundesamt für Umwelt BAFU sowie der Mava Stiftung und der Ernst Göhner Stiftung finanziell unterstützt.

Jedes Wieselförderprojekt hat 1-2 Trägerschaften und eine Projektleitung. Die Trägerschaft wird in der Regel von einer Non-Profit-Organisation übernommen, die lokal verankert und im Bereich Natur- und Landschaftsschutz tätig ist. Das Wieselförderprojekt wird – soweit möglich – von einer Arbeitsgruppe von ortskundigen Personen sowie Personen aus den kantonal zuständigen Ämtern und den Naturschutzverbänden begleitet. Ausserdem unterstützen verschiedene Partner das Projekt: Bei der Umsetzung werden Einzelprojekte zusammen mit lokalen Organisationen vorbereitet und mit Hilfe von Landwirten, Schulklassen, Jagdgesellschaften, Naturschutzvereinen, Trägerschaften von Vernetzungsprojekten, dem Forst und interessierten Einzelpersonen ausgeführt.

Das WIN-karch-Pilotprojekt

Verstecke und Aufzuchtplätze fehlen in einer ausgeräumten Kulturlandschaft nicht nur den Wieseln, sondern auch Amphibien und Reptilien. Deshalb haben sich WIN Wieselnetz und die karch, zuständig für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz, zusammengeschlossen, um in einem Pilotprojekt nicht einzelne Arten, sondern mehrere Artengruppen gemeinsam zu fördern. Im Fokus stehen Kleinkarnivore, Reptilien, Amphibien und Libellen, alles Arten, die mobil und auf ähnliche Strukturen angewiesen sind. So sollen Synergien genutzt werden, um Lebensraumverbesserungen in der Kulturlandschaft für möglichst viele Arten zu erzielen. Das vom BAFU finanziell unterstützte Pilotprojekt wurde 2015 im Populationsraum Bucheggberg (Kantone Bern und Solothurn) begonnen (Abbildung 5). Bei der Planung von Massnahmen werden nicht nur die gemeinsamen, sondern auch die unterschiedlichen ökologischen Ansprüche und räumlichen Bedürfnisse dieser verschiedenen Tierarten/Artengruppen berücksichtigt.

WIN Wieselnetz

Die kleinen Raubtiere sind eine der ganz wenigen Tiergruppen, welche in der Schweiz bis vor kurzem keine „Lobby“ hatten und deren Erhaltung und systematische Förderung kein Thema war. Aus diesem Grund wurde auf Initiative von einigen Wildtierbiologinnen und -biologen die Organisation „WIN Wieselnetz“ ins Leben gerufen.
“WIN Wieselnetz“ ist seit 2006 aktiv. Im August 2012 wurde es in die Rechtsform einer Stiftung überführt. Mit gezielten Förderprojekten will WIN Wieselnetz dazu beitragen, die in der Schweiz noch vorhandenen Bestände von Kleinkarnivoren vor dem weiteren Rückgang zu bewahren und bereits geschwächte Populationen wieder zu stärken. WIN Wieselnetz richtet sich in erster Linie an Fachleute und Entscheidungsträger (Biologie, Naturschutz, Jagd, Landwirtschaft, Forstwirtschaft u.ä.), die bei der Umsetzung von Massnahmen aktiv werden können. Für sie werden Informationen bereitgestellt, Aus- und Weiterbildung angeboten sowie konkrete Förderprogramme entwickelt.

Autorin

CRISTINA BOSCHI
Stiftung WIN Wieselnetz, Geschäftsstelle
Sattelmätteliweg 4, 5722 Gränichen
Tel. 062 842 21 47
E-mail cristina.boschi@wieselnetz.ch
Website www.wieselnetz.ch

Literatur
Boschi, C., Krummenacher, J., Müri, H. (2014): Fördermassnahmen für Wiesel im Landwirtschaftsgebiet – Ein Ansatz zur Erhaltung der Biodiversität und zur Reduktion von Wühlmausschäden im Wieseland. Hrsg. Stiftung WIN Wieselnetz und Agrofutura AG, Gränichen/Frick.